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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen
Autoren: Margaret Skjelbred
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gerettet, einem dreizehn, vierzehn Jahre alten, wilden und unerschrockenen Schlingel. Unter den Kameraden brachte ihm das natürlich viel Ehre und Bewunderung, aber Klein Mathilde hielt ihren Nacken noch gerader als sonst und behauptete steif und fest, sie hätte es schon geschafft, sowieso. Dummes Kind!
    Warum bist du so hochmütig, Klein Mathilde? Deshalb, weil dich keiner mag? Oder mag dich keiner, weil du so hochmütig bist? Wenn die Gruppe der Mädchen kichernd vorbeikommt, auf dem Weg zur Milchrampe auf Lund, wo am Frühlingsabend die Jungen samstäglich herausgeputzt ungeduldig warten, hast du stets eine unverblümte Bemerkung parat. Eine kleine Boshaftigkeit, woraufhin die jungen Mädchen sich verstohlen unsichere Blicke zuwerfen und wünschen, du wärest zu Hause geblieben. Oder war es nicht so? Glaube ich das nur, weil ich dich erst so viele Jahre später kennenlernte?
    Ich weiß, daß die Jungen alle ganz wild auf dich waren. Sie kamen aus den Nachbarorten zur Milchrampe auf Lund und scharten sich eifrig um die Mädchen. Aber auf dich waren sie aus. Stolz und hochmütig und strahlend schön, deine dicken dunklen Zöpfe auf dem Rücken, standest du da, mitten in der Schar, und ließest deine schlagfertigenSarkasmen elegant und gedankenlos fallen, so daß sie den einen oder anderen, zufällig Ausgewählten trafen. Drehtest stolz deinen steifen Nacken, daß die Zöpfe flogen, und lachtest dein spöttisches Lachen, deiner selbst so sicher wie nur eine sein kann mit einem großen Hof und einer Essensglocke im Hintergrund.
    Oder warst du das nicht, Mathilde? War es bei dir nicht anders als so oft bei uns Menschen, daß die Tränen, die du so gnadenlos in den Augen der Freundinnen hervorzulocken suchtest, nur ein Versuch waren, deine eigenen bitteren Tränen zu verbergen? Ich weiß es nicht, werde es nie erfahren. Aber ich weiß, daß du um dich herum einen Kreis schufst mit diesen deinen eleganten – vielleicht gedankenlosen – Boshaftigkeiten, gerade so effektiv, als hättest du in den roten Sand des Weges mit einem scharfkantigen Stein einen Kreis um dich geschlagen.
    Nur eines der Mädchen wagte sich in diesen Kreis. Nicht weil du sie netter behandelt hättest als die anderen, sondern weil sie zu diesen seltenen Menschen gehörte, die keinerlei Stolz haben, weder zu verlieren noch zu verteidigen. Anna, einfache, ungekünstelte Anna. Näher bist du einer Freundin nie gekommen. Die anderen in der Schar der Kameradinnen hatten bald genug von deiner Art und kehrten dir den Rücken.
    Hast du nicht gemerkt, wie sie sich zurückzogen,Mathilde? Hast du nicht gesehen, wie sie paarweise den Weg entlangschlenderten? Warst du von deiner eigenen Schlagfertigkeit und Anziehungskraft und davon, deine eigene Einsamkeit zu verstecken, so überzeugt, daß du nicht die Hochzeitsglocken hörtest, die bald für die eine, bald für die andere der Freundinnen läuteten?
    Schönheit und Essensglocke halfen dir nicht viel. Fünfundzwanzig Jahre alt, sitzt du auf Ås auf der Schaukel und denkst, das Leben sei vorüber, ehe es angefangen hat. Oh, Mathilde. Arme, bittere Mathilde. Deshalb tust du mir so leid.

8
    Wir zwei hätten Mathilde damals kennen sollen. Es heißt, sie sei sehr schön gewesen. Sie glich der Mutter und deren Familie, aber die grauen Augen lagen tiefer und standen näher beieinander als bei den Leuten von Øgård, und das gab ihr ein listiges, leicht maliziöses Aussehen. Die hübsche, sehr aufrechte und schlanke Gestalt hatte sie vom Vater. Der Kopf saß so stolz auf den geraden Schultern, daß die Leute annahmen, sie sei hochmütiger, als sie es war.
    Ja, aber stolz war sie. Daran gibt es keinen Zweifel.Unsympathisch, fanden viele, und das wurde mit den Jahren sicher nicht besser. Aber sie hat ja auch nicht gerade allzuviel Zärtlichkeit erfahren. Sie kann sich nicht erinnern, daß ihr Vater sie ein einziges Mal auf den Schoß gesetzt oder sie in den Arm genommen hat.
    Anders Irgendeiner gab sicher das, was er an Liebe und Fürsorge zu geben hatte in dem Jahr, als er mit Maren Pütt zusammen lebte, und obendrein empfing er mehr, als er gab. Aber um die Tochter kümmerte er sich auf seine Weise, und während vieler Jahre hat er davon gefaselt, daß er sie zum Altar führen werde zu einem wartenden Bräutigam aus guter und wohlhabender Familie. Hier hat Anders Irgendeiner sich verrechnet, denn von den solcherart interessanteren Söhnen des Orts hatte bald einer nach dem anderen von Mathildes bissigen Bemerkungen
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