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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen
Autoren: Margaret Skjelbred
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die Gemeinde geschickt hat, genau um elf, um drei und um sieben, an jedem Wochentag, solange sie denken kann. Wie oft hat sie nicht ihr Spiel und später ihre Arbeit unterbrochen beim Klang der Essensglocke auf Ås. Auch in Øgård hörten sie die Glocke und richteten die Mahlzeiten danach.
    Und nun soll sie also Hausfrau werden, die hübsche kleine Maren Pütt. Da steht sie und ist beinahe ebenso groß wie ihr Ehemann Anders, der für sie niemals irgendeiner sein wird, sondern in der kurzen Zeit, die sie zusammen haben, ihre Liebe und ihren Respekt behält, bis sie im Kindbettstirbt, an einem frostigen Tag im Dezember des gleichen Jahres.
    Ich glaube, Anders wurde durch Maren netter. Er sieht jedenfalls auf dem Photo netter aus, als ich Grund habe zu glauben, er sei es späterhin im Leben gewesen. Aber schon auf dem Bild kann man sehen, daß »der Kerl da nicht irgendeiner ist«, so wie er dasteht, breitbeinig und die Nase hochmütig in die Luft erhoben. Beide starren sie ernst in den Apparat.

4
    Das, was jetzt kommt, hätte ich so gerne umgangen. Die hübsche kleine Maren Pütt hätte doch wohl glücklich auf Ås leben können, unter den regelmäßigen Schlägen der Essensglocke, bis zum Ende ihrer Tage. Sie könnte die kleine Mathilde und andere Kinder geliebt und erzogen haben, empfangen in einem warmen und respektablen Ehebett, nicht in der eiskalten Jakobsscheune.
    Statt dessen stirbt sie, ehe das Jahr um ist, zitternd vor Kälte, während das Blut aus ihr herausrinnt, in die Matratze und weiter auf den ungestrichenen Fußboden der Kammer. Das Blut hinterläßt auf den Bohlen einen Fleck, weshalb das Bettimmer in der gleichen Ecke des Zimmers stehen bleiben muß, um ebendiesen dunklen Fleck zu verdecken.
    Arme kleine Maren. Hättest du fünfzig Jahre später gelebt, hätte wohl keiner auf deine schmalen Hüften geschimpft. Da hätte dich ein Krankenwagen mit Blaulicht ins lokale Krankenhaus gebracht, wo dich ein Stab von effizienten Krankenschwestern für die Operation vorbereitet und den Gynäkologen gerufen hätte, der mit einer raschen Ausschabung der Gebärmutter dich von den folgenschweren Resten befreit und wohlbehalten zurück ins Leben gebracht hätte. Und zu der kleinen Mathilde.
    Es gelingt dir, den Namen, den sie tragen soll, zu flüstern. War es der Name deiner Mutter? Ich weiß es nicht genau. Du schaffst es, die Hände dem kleinen, frisch gewickelten Bündel entgegenzustrecken, das vorsichtig zu dir ins Bett gelegt wird. Und das letzte, was du bewußt erlebst, ist ein eifrig suchender Säuglingsmund, der eine Hautfalte deines Halses zu fassen bekommt. Der kleine Mund saugt. Ein Lächeln huscht über dein Gesicht. Ein Zucken geht durch den Körper. Dann bist du fort.
    Nahmst du diese Erinnerung, dieses erste und einzige Erleben des Kindes mit dir in die Dunkelheit? Diejenigen, die dich später zurechtmachten, behaupteten, das Lächeln habe noch auf deinenZügen gelegen, aber ich glaube ihnen nicht. Ich glaube nicht, daß eine neunzehnjährige frischgebackene Mutter voller Hoffnung und Träume lächelnd und versöhnt in den Tod gehen kann. Es gelang dir nur nicht zu protestieren.

5
    Mathilde hat natürlich keine Erinnerungen an ihre Mutter. Für sie ist die Mutter nur das etwas ernste Foto auf der Anrichte in der guten Stube. Die, von der sie Muttermilch und Fürsorge im ersten Lebensjahr bekam, mußte sie mit Vetter Konrad teilen, und um die Wahrheit zu sagen, sie verlangte nach ihrer Hälfte, und sie bekam sie auch reichlich.
    Konrad ist Katrines viertes Kind. Und Katrine ist Marens sieben Jahre ältere Schwester, früh verheiratet mit einem Bauarbeiter, sie lebt zu Hause auf dem elterlichen Hof, wo sie dem Vater mit dem Haus und den Tieren hilft. Zusätzlich gebiert sie Kinder nach angemessen langer Zeit, wenn der Bauarbeiter zu Hause auf Besuch gewesen war.
    Der kleine Konrad ist nur vierzehn Tage vor Mathilde zur Welt gekommen, und Katrine ist auf und kümmert sich am nächsten Tag um den Kuhstall. Sie hat doch keine Zeit, sich mitten in denWeihnachtsvorbereitungen hinzulegen! Als sie die Botschaft vom Tod der Schwester erreicht, ist sie gerade beim Brotbacken. Sie läßt das Nudelholz fallen und setzt sich auf die Schlafbank, mitten auf einen ordentlich gestapelten Berg Fladenbrot – sie hat es dort hingelegt, um auf dem Küchentisch mehr Platz zum Arbeiten zu haben – und weint hilflos in ihre blaue Schürze, denn sie hatte ihre kleine Schwester so gern.
    Dann trocknet sie die Tränen,
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