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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen
Autoren: Alfred Bekker
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sich schon vorstellen, dass die Kraft vielleicht auch dazu einsetzbar war, schwerere Lasten in die Lüfte zu tragen. Einen Bogenschützen zum Beispiel – oder einen Kundschafter.
    Tausend Gedanken spukten Leonardo im Kopf herum. „Wenn man bunte Drachen in verschiedenen Farben aufsteigen lässt, dann könnte man auf diese Weise Signale übermitteln“, meinte er. „Zum Beispiel in einer Schlacht, wenn große Truppen geordnet angreifen sollen. Oder zur Übertragung von Nachrichten, die ganz schnell ihr Ziel erreichen müssen. Man lässt einfach in gewissen Abständen einen Drachen in einer bestimmten Farbe aufsteigen und an der nächsten Station wird dann ein Drachen in derselben Farbe in die Luft geschickt. Wenn man Bergspitzen für solche Stationen nimmt, kann man eine Botschaft hundert Meilen weit übertragen. Mindestens!“
    „Leonardo, achte lieber darauf, dass der Drachen diesmal nicht abstürzt. Er wackelt schon wieder mit dem Hinterteil!“
    „Aber er liegt ruhig in der Hand.“
    „Kann ich ihn auch mal halten?“
    Leonardo zögerte. „Also ehrlich gesagt   …“
    „Ich habe hier alles mitgemacht, bin in der Frühe aufgestanden und werde nachher noch deine Stiefmutter belügen, wenn sie fragt, wo wir gewesen sind – wohlgemerkt eine Verwandte, die mich gnädigerweise bei sich aufgenommen hat! Da kannst du mir jetzt auch mal die Drachenschnur in die Hand geben.“
    Leonardo seufzte. Eigentlich hatte sie recht, aber wohl war ihm bei dem Gedanken nicht. Aber dann gab er sich doch einen Ruck. Schließlich war sie im Moment die einzige Gefährtin, die er dazu überreden konnte, ihm zu helfen. Und das bedeutete wohl auch, dass er darauf achten musste, ihre Laune nicht zu verderben. „Also gut“, sagte er. „Aber wenn du den Drachen beschädigst   …“
    „… baust du einfach einen neuen. Inzwischen weißt du doch, wie es geht, Leonardo.“
     
    D er überladene Eselskarren eines Händlers kam die Straße am Fluss entlang. Leonardo kam der Karren irgendwie bekannt vor. Ein Mann und ein Junge, der ungefähr genauso alt wie Leonardo war, begleiteten ihn. In diesem Augenblick riss das Garn. Der Drachen flog einen Moment, trudelte dann und stürzte geradewegs auf den Eselskarren zu. Der Esel schrie und schnaufte entsetzt, und auch die beiden Begleiter schienen sehr erschrocken zu sein. Der Drachen landete genau auf dem Karren.
    „Tja und nun?“, fragte Clarissa.
    Aber Leonardo zögerte nicht lange. Er rannte den Hang hinunter, laut rufend und mit den Armen wedelnd. Wenn diese Leute jetzt glaubten, dass sie von einem fliegenden Ungeheuer angefallen worden waren, dann wehrten sie sich vielleicht und schlugen mit irgendetwas auf den Drachen ein   …
    Leonardo schrie, so laut er konnte. Der Mann hatte inzwischen den Esel einigermaßen beruhigt, der jetzt keinen Schritt mehr machen wollte. „Gut so!“, dachte Leonardo. „Dann kann ich sie einholen.“
    Der Junge kam etwas näher und starrte Leonardo ungläubig an.
    Jetzt erkannte auch Leonardo, wen er vor sich hatte.
    „Carlo!“, rief er.
    „Leonardo!“
    „Du hast uns aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Was ist das für ein   …
Ding
, das da durch die Gegend geflogen ist? Eine Flugmaschine von dir?“
    Inzwischen hatte Clarissa Leonardo eingeholt. „Du kennst diese Leute?“, fragte sie.
    „Darf ich vorstellen, das ist mein Freund Carlo. Er kommt aus Vinci, so wie ich! Und das da vorne ist sein Vater, Herr Maldini – ein fahrender Händler, der regelmäßig zu den Märkten nach Florenz fährt.“
    „War dieses
Ding
eine der Flugmaschinen, die du dir immer ausgedacht hast?“, fragte Carlo. „Ich hätte niemals geglaubt, dass eine davon wirklich mal fliegen könnte. Im ersten Moment dachte ich allerdings, ein furchtbares Ungeheuer greift uns an und will unseren Esel fressen!“
    Leonardo ging zum Karren und holte den Drachen herunter. „Hoffentlich ist er nicht zu stark beschädigt“, dachte er. Das gerissene Garn konnte man ja leicht wieder zusammenknoten.
    Glücklicherweise war nur ein kleiner Riss im Papier entstanden.
    Leonardo wandte sich Herrn Maldini zu, der einen ziemlich ärgerlichen Eindruck machte. „Hallo Leonardo! Seit du nicht mehr in Vinci lebst, bricht kein Feuer mehr aus, keine Hühner sterben mehr an irgendwelchen Tränken mit angeblich heilender Wirkung und mein Sohn lässt sich nicht mehr dazu überreden, an der Verwirklichung irgendwelcher verrückter Ideen mitzuwirken, die entweder gefährlich oder
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