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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen
Autoren: Alfred Bekker
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Leonardo. Er duckte sich hinter einen Strauch und machte gegenüber Clarissa ein Zeichen, dass sie das auch tun sollte.
    Wenig später war der Reiter verschwunden. Man hörte noch für kurze Zeit den Schlag der galoppierenden Hufe.
    „Jetzt erzähl mir davon!“, verlangte Clarissa. „Glaubst du, dass das einer der Männer war, die den Stadtherren überfallen haben?“
    „Ja!“
    Und dann erzählte Leonardo von seinem Erlebnis mit dem Reiter. In knappen Worten berichtete er, wie der Bettler sich nach ihm erkundigt und ihn offenbar beobachtet hatte und dass der Reiter ihm dann gefolgt war. „Ich glaube, dass das einer der Kerle war – sicher bin ich mir natürlich nicht!“
    „Und was glaubst du, was er von dir wollte?“
    „Dafür sorgen, dass ich nichts sage! Vielleicht glaubt er, dass wir die Männer doch erkannt haben – du auch, denn du hast sie zumindest von hier oben doch ebenfalls sehen können. Und nachdem unser werter Stadtherr die Geschichte von seiner Rettung auf seinem Fest erzählt hat, dürfte sich die Sache noch schneller verbreitet haben als ohnehin schon! Stell dir vor, du wärst einer der Kerle, kommst in die Stadt und hörst, wie die Leute darüber reden, dass jemand etwas mehr gesehen haben könnte! Also, ich würde dann durchaus unruhig werden   …“
    „Aber wenn es stimmt, was du sagst, dann reitet dieser Mann wahrscheinlich geradewegs zu den anderen.“
    „Ja, zu dumm, dass wir kein Pferd haben, sonst könnten wir versuchen, ihm zu folgen.“
    „Aber das bedeutet, es muss sich irgendwo hier in der Nähe ein Ort befinden, wo diese Banditen zurzeit lagern!“
    „Das vermute ich auch, Clarissa!“
    „Und wenn sie ihren Plan, den Stadtherren zu töten, immer noch hegen, kann dieser Ort ja wohl nicht allzu weit entfernt sein.“
    Leonardo nickte langsam. „Ja – nur wo? Zwischen Florenz und Empoli gibt es so viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.“
    „Du kennst doch die Gegend, Leonardo! Ich komme ja aus Pisa und bin fremd hier. Aber du müsstest doch eine Idee haben, welche Orte sich für so ein Lager eignen.“
    „Lass uns erst mal den Drachen wieder fertig machen“, murmelte Leonardo.
     
    W ährend sie den Drachen reparierten und das Garn wieder sorgfältig aufrollten, meinte Clarissa: „Wir sollten zusehen, dass wir bald nach Hause kommen. Melina wird inzwischen aufgestanden sein – und hör nur, in Florenz haben bereits die Glocken zu läuten begonnen! Bald ist in den Kirchen Messe.“
    „Einmal will ich den Drachen noch steigen lassen“, meinte Leonardo.
    „Sollen wir diesmal nicht den größeren nehmen?“
    „Ja, das probieren wir!“
    „Und was diesen Reiter angeht – du solltest das dem Herrn de’ Medici sagen! Oder deinem Vater! Oder noch besser: der Stadtwache, damit die die Umgebung nach dieser Bande absuchen können!“
    „Mal sehen“, murmelte Leonardo. Sie ließen diesmal den größeren Drachen steigen. Aber Leonardo nahm den Steuerschwanz des kleineren Drachen von diesem ab und knotete ihn an den Schwanz des großen, sodass er noch länger war. „Vielleicht bleibt er dann länger in der Luft und stürzt nicht so schnell ab. Du hast ja gesehen, dass er plötzlich zu den Seiten ausgebrochen ist   …“
    „Aber wieso hat das einen Einfluss?“, fragte Clarissa.
    „Wenn ich das so genau wüsste, Clarissa, dann hätte ich längst einen Drachen, an den ich mich selber festschnallen würde und der stark genug wäre, mich in die Lüfte zu heben. Und dann wäre es auch eine Kleinigkeit, diese Bande in ihrem Versteck aufzutreiben, was ja wohl bisher nicht einmal die Söldner der Medici oder die Stadtwache geschafft hat!“
    „Also wenn ich jetzt nicht wüsste, dass dieses fliegende Ungetüm nur aus Papier ist, ich glaube, ich würden einen Riesenschreck bekommen, wenn ich so etwas plötzlich am Himmel auftauchen sähe. So als ob plötzlich ein Dämon oder ein Ungeheuer in den Wolken schwebte!“
    „Genau dafür haben die Leute in Cipanku die Drachen offenbar auch benutzt“, sagte Leonardo.
    „Wie meinst du das?“
    „Na ja, um bei der Schlacht Feinde zu erschrecken. Jedenfalls sieht es auf einigen der Bilder so aus!“
    „Würde mich nicht wundern. Dieser schnarrende Papierschwanz lässt einen ja auch beinahe denken, dass es sich um ein lebendiges Höllenwesen handelt!“
     
    S ie ließen den Drachen erneut steigen. Überraschend ruhig stand er am Himmel. Leonardo spürte die Kraft, mit der dieses fliegende Etwas an dem Garn zog. Ja, man konnte
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