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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen
Autoren: Alfred Bekker
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unserer Seite“, bestärkte Leonardo sie. „Du hast doch gesehen, wie Herr Maldini reagiert hat – und der ist eigentlich auch kein ängstlicher Mann!“
    „Hauptsache, die Schnur reißt nicht oder ein Drachen stürzt ab. Wenn die Kerle nämlich merken, dass das Ungeheuer nur aus Papier ist, wird ihr Entsetzen genauso schnell zu Ende sein, wie es bei Herrn Maldini der Fall war“, gab Clarissa zu bedenken.

Auf zur Krötenschlucht!
    S ie sammelten ihre Sachen ein, rollten das Garn auf und knoteten es an der Stelle, wo es gerissen war, zusammen. Dann machten sie sich auf den Weg. Die Krötenschlucht, wie Leonardo und Carlo sie damals genannt hatten, befand sich ungefähr auf halbem Weg zwischen Florenz und Vinci. Leonardo vermied es, die Straße zu nehmen, und führte Clarissa stattdessen über abgelegene, unwegsame Pfade, von denen er meinte, es seien Abkürzungen.
    Ob das stimmte, wusste Clarissa aber nicht. Sie hatte schon nach kurzer Zeit völlig den Überblick darüber verloren, wo sie sich gerade befanden.
     
    S ie waren schon ziemlich lange unterwegs, da hörten sie plötzlich Schüsse. Clarissa zuckte regelrecht zusammen.
    „Das müssen sie sein“, sagte Leonardo.
    „Meinst du, die Kerle üben doch für den nächsten Anschlag auf den Stadtherren?“
    „Ich vermute eher, dass sie Hunger haben und sich etwas erjagen“, antwortete Leonardo. „Soll ihnen der Bissen im Halse stecken bleiben!“
    Leonardo führte Clarissa auf eine bewaldete Anhöhe, die die Krötenschlucht im Westen begrenzte. Es gabdort eine grasbewachsene Lichtung. „Hier ist der richtige Ort“, flüsterte Leonardo, während er aus Versehen auf einen im Gras liegenden Ast trat. Es knackte laut. Clarissa verdrehte die Augen.
    „Pass doch auf“, flüsterte sie.
    Für einige Augenblicke waren sie wie erstarrt und lauschten angestrengt. Die Stimmen der im Tal kampierenden Männer waren zu hören. Sie schienen sich nicht ganz einig darüber zu sein, ob sie heute noch aufbrechen oder die Nacht noch in ihrem Lager verbringen sollten.
    „Herr de’ Sarti hat gesagt, dass wir uns weiterhin hier bereithalten sollen“, sagte eine durchdringende Stimme. Das musste der Reiter im dunkelblauen Mantel sein, denn er war als Letzter eingetroffen und konnte als Einziger neue Anweisungen mitgebracht haben.
    „Aber mir ist das zu brenzlig. Ich werde mich heute Abend noch vom Acker machen!“, meinte einer der anderen Männer.
    „Und dann verzichtest du lieber auf einen Teil des Geldes, das wir kriegen sollen?“, fragte ein dritter.
    „Besser, als am Ende in den Kerker zu wandern!“
    Leonardo und Clarissa begannen unterdessen mit ihren Vorbereitungen. Den Riss, den der größere Drachen bei seinem Sturz auf Herrn Maldinis Eselskarren bekommen hatte, war längst geflickt. Das hatten sie unterwegs während einer der wenigen Pausen erledigt, die sie gemacht hatten, und die Stelle mit einem weiteren Stück Papier und etwas Harz zugeklebt. Es war nur zu hoffen, dass sich das nicht allzu verheerend auf die Flugeigenschaften auswirkte.
    Außerdem mussten sie dem kleineren Drachen seinen Schwanz wieder anknoten, während der des größeren dadurch wieder etwas kürzer war. Auch das war ein Risiko. „Sollen wir nicht besser nur einen der Drachen steigen lassen?“, flüsterte Clarissa. „Ist doch sicherer.“
    „Aber zwei Drachen machen mehr Angst als einer“, war Leonardo überzeugt. „Und darauf kommt es an!“
    „Ich hoffe nur, du irrst dich nicht.“
    „Keine Sorge, ich weiß, was ich tue.“
    „Anscheinend auch nicht immer! Oder habe ich das, was Herr Maldini da von verstorbenen Hühnern und ausgebrochenen Feuern erzählt hat, irgendwie falsch verstanden und du hattest damit gar nichts zu tun?“
    „Darüber reden wir ein andermal“, flüsterte Leonardo.
     
    B eide Drachen steigen zu lassen erwies sich als kompliziert. Zuerst brachten sie den größeren in die Luft. Um ein Haar wäre Leonardo über einen im hohen Gras verborgenen Baumstumpf gestolpert, als er ein paar Schritte lief. Der Wind stand günstig, der Drachen stieg und er machte eine Menge Krach durch das Schnarren seines Papierschwanzes.
    Aber er brach auch immer wieder seitlich aus und Leonardo musste das durch schnelles Ziehen an der Schnur ausgleichen.
    Er stieg über die Baumwipfel und inzwischen waren bereits die ersten entsetzten Rufe der Männer in der Krötenschlucht zu hören.
    „Du musst den zweiten Drachen allein fliegen lassen!“, rief Leonardo Clarissa zu.
    „Aber
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