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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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warte, nur eine Sekunde.« Er schob sie zurück, von sich weg, und als sie in seine Augen blickte, registrierte sie Verwirrung und etwas anderes, etwas wie Abscheu.
    Sie spürte, wie die Scham mit langsamer, brennender Intensität von ihr Besitz ergriff. »Es tut mir leid, ich hätte nicht...« Sie zog sich von ihm zurück, sein Blick brannte auf ihrer Haut. »Ich hatte zu viele Drinks. Ich sollte besser gehen.« Sie stolperte
und sehnte sich danach, von ihm wegzukommen, wollte aber gleichzeitig abwarten, was er tun würde. Immer noch war etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen. Aber als sie zu ihm aufsah, entdeckte sie nur Enttäuschung, und diese Enttäuschung brachte sie dazu wegzurennen.
    Sie drehte sich um und spürte, wie sich ihre Beine verselbständigten und ihre Arme in der feuchten Luft herumfuchtelten. Und plötzlich erinnerte sie sich an etwas, das sie längst vergessen zu haben glaubte, an eine Nacht vor vielen Jahren, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Vater die Großeltern in Newport besucht. Dort kam es zu einem Streit, vermutlich wegen des Lebenswandels ihres Vaters. Was für ein Vater und was für ein Sohn er eigentlich sei und wie sehr er seine Eltern enttäuscht hätte. Sweeneys Großmutter erhob nie die Stimme, und sie tat es auch nicht in jener Nacht, aber irgendwie hatte Sweeney trotzdem gespürt, wie wütend sie gewesen war. Und sie hatte erkannt, dass ihr Vater, der sich nur schlecht beherrschen konnte, jeden Moment die Geduld verlieren würde. Deshalb war sie vom Abendessen aufgesprungen und einfach in die Nacht hinausgerannt. Heute noch hatte sie den Klang ihrer Sandalen auf dem Pflaster im Ohr und erinnerte sich an den Geruch des Meeres, als sie die Straße entlanggerannt war. Ohne zu wissen, wo ihr Weg hinführte. Einfach nur weg, den Stimmen entkommen und der wachsenden Wut ihres Vaters. Sie wusste, dass ihr jemand folgen würde und dass sie durch ihre Flucht die Auseinandersetzung vermutlich beendet hatte.
    Nach ein paar Minuten war sie stehen geblieben und hatte auf den Klang von Schritten hinter ihr gehorcht. Aber da war nur die Stille der Nacht gewesen und ihre Einsamkeit. Und als sie heute Nacht dieselbe Leere hinter sich spürte, wusste sie, dass er ihr nicht gefolgt war. Sie hörte nicht auf zu rennen, bis sie zu Hause war.

41
    »Heute ist es frischer«, bemerkte Ellie. »Ich habe fast schon nicht mehr dran geglaubt, dass es je wieder abkühlen würde.« Sie nippte an ihrem Sodawasser. »Was bin ich froh, dass wir ihn geschnappt haben«, sagte sie. »Aber es fühlt sich nicht so gut an, als wenn wir ihn festgenagelt hätten, nicht wahr?«
    Am Vortag war sie mit einem Blatt Papier in der Hand an Quinns Schreibtisch getreten und hatte ihn ernüchtert angesehen. »Wir haben ihn«, hatte sie ausdruckslos gesagt. »Den Typen, der Luz Ramirez umgebracht hat. Die Analyse des Spermas hat einen Treffer in unserer Datenbank ergeben. Er ist ein vorbestrafter Sexualstraftäter. Schwere Vergewaltigung. Ist im Sommer rausgekommen. Er war eine tickende Zeitbombe. Wir können gleich losfahren und ihn abholen. Ich habe seine Adresse.«
    Quinn war schon auf den Beinen und bereit zu gehen, automatisch griff er an sein Holster. »Du wirkst nicht gerade glücklich. Er wird den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen und niemanden mehr verletzen.«
    »Ja«, sagte Ellie und ließ ihren Blick über die Lichter in den Gebäuden schweifen, die um den Hof herum standen. »Aber wir haben ihn nicht gefunden. Der Computer hat es.«
    »Dann sei dem Computer dankbar«, entgegnete er. »Vor ein paar Jahren hätten wir Typen wie ihn nie gekriegt.«
    »Ja schon, aber …«

    »Ich weiß, was du meinst«, sagte er schließlich. »Es gibt einem nicht dieselbe Genugtuung. Aber weißt du was? Die meisten Fälle werden durch Zufall gelöst. Irgendjemand erwähnt etwas; oder ein Typ, den wir schon kennen, will ein Ding drehen.« Er machte eine Pause und sagte dann: »Bist du bereit, ihn dir zu schnappen?«
    Sie überraschten ihn beim Fernsehen in seinem Apartment und nahmen ihn fest, aber Quinn wusste, was sie meinte. Es war keine echte Befriedigung. Nach dem Ausgang des Hapner-Museum-Falls hatte Quinn jetzt vollends das Gefühl, er habe in den letzten Wochen nicht gerade Glanzleistungen vollbracht.
    Jetzt saß er in einem Straßencafé um die Ecke vom Hauptquartier und betrachtete Ellies Gesicht. Sie wirkte heute etwas älter, ihre Stirn war vor Konzentration in Falten gelegt. Oder
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