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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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auf die Straßenpfosten, die in schneller Folge an ihm vorbeihuschten. »Dann hat er diesen Ort wahrscheinlich sehr bedacht gewählt.«
    Angst und Beklommenheit breitete sich wie ein schwarzes Tuch über die Insassen des BMWs, der mit hoher Geschwindigkeit über die Autobahn nach Colmar raste. In der Stadt folgte Wolfram Tannenberg zunächst den Hinweisschildern in Richtung Belfort/Gerardmer und dann denen nach Wintzenheim/Münster. Nach Münster ging es über Lüttenbach, Breitenbach, Metzeral und Sondernach die engen Serpentinen hinauf in die Hochvogesen.
    Je näher die beiden Freunde der Skihütte kamen, umso angespannter wurden sie. Inzwischen war es fast Nacht geworden, nur ein dunkelgrauer Streifen hing noch am Horizont. Gebannt starrten sie in das Scheinwerferlicht ihres Autos. Der Pkw überquerte eine Kuppe und erreichte einen neben der Straße angelegten, langgezogenen Parkplatz. Rechts davon befand sich ein Restaurant, direkt gegenüber schmiegte sich die Holzhütte des Ski- und Kanuclubs an den Nordhang des Schnepfenriedkopfes.
    »Hier oben sieht’s fast noch genauso aus wie früher«, sagte Dr.   Schönthaler in Erinnerung an den gemeinsam mit Tannenberg vor weit mehr als 30 Jahren hier oben verbrachten Schullandheimaufenthalt, bei dem die beiden Freunde zum ersten Mal in ihrem Leben auf Skiern standen.
    »In der Hütte brennt Licht«, rief Tannenberg freudig aus, als er den Lichtschein in einem der Fenster sah. »Gott sei Dank.«
    Große Erleichterung machte sich bei den beiden Freunden breit.
    Auf das Klopfen an der Kiefernholztür tat sich nichts. Tannenberg legte sein Ohr aufs Türblatt und horchte angestrengt, während Dr.   Schönthaler eine Runde um die Hütte drehte.
    Als er kurz darauf zu seinem Freund zurückkehrte, sagte er schulterzuckend: »In dem Zimmer, in dem das Licht brennt, sehe ich niemanden.«
    »Vielleicht ist er runter ins Restaurant, um etwas zu essen. Er hatte ja bestimmt nichts dabei.«
    »Ein Rennrad habe ich auch nicht entdeckt.«
    »Bei dem Wert, den dieses Hightech-Gerät hat, hätten wir es wohl auch nicht draußen stehen lassen, oder.«
    »Nee, garantiert nicht«, stimmte der Gerichtsmediziner zu.
    »Dann lass uns mal runter in die Kneipe gehen.«
    Die beiden stapften den kurzen Weg hinunter zum rustikalen Berghotel Bellevue.
    »Auch hier drinnen sieht’s noch genauso aus wie damals, als wir mit unserer Klasse jeden Abend hier waren«, behauptete Tannenberg und schaute sich im Lokal um.
    »Sogar das Hackerchen steht noch an derselben Stelle«, versetzte Dr.   Schönthaler in Erinnerung an lange Tischfußball-Turniere. Er wandte dem Portier, der ihnen verwundert entgegenblickte, den Rücken zu und flüsterte: »Und es riecht auch noch genauso muffig wie damals.«
    »An was du dich so alles erinnerst.«
    »Bonsoir, Monsieur, nous cherchons un ami«, schmetterte der Pathologe in Richtung des Empfangstresens.
    »Wie sieht Ihr Freund denn aus?«, fragte der Franzose grinsend.
    Da Dr.   Schönthaler diesen Schock erst einmal verdauen musste, antwortete sein Begleiter für ihn: »Wir suchen einen sehr sportlichen jungen Mann, der in der Kaiserslauterer Skihütte wohnt.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Schwingtür des Restaurants und ein etwa 65-jähriger, vollbärtiger Mann trat ihnen entgegen. »In unserer Hütte wohnt außer mir niemand«, verkündete er und stellte sich den verdutzten Freunden als Hüttenwart des Ski- und Kanuclubs vor.
    »Auch Florian Scheuermann nicht?«
    »Nein.«
    »Er ist heute auch noch nicht in der Hütte aufgetaucht?«
    »Nein. Ich habe ihn seit letztem Winter nicht mehr gesehen. Er war zwar vor etwa zwei, drei Monaten mal hier oben, aber da hatte sein Vater den Schlüssel bei mir abgeholt.«
    Da der Hüttenwart Florian kannte, erübrigte sich ein Blick in das Restaurant. Die beiden Freunde verabschiedeten sich und gingen zurück zu ihrem Auto.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte der Gerichtsmediziner.
    Tannenberg schloss die Augen und brummte nachdenklich. Dann erzeugte er ein schmatzendes Geräusch und erklärte: »Wir klappern hier in der Gegend eine Ferme Auberge nach der anderen ab. Vielleicht war er ja doch hier oben in Schnepfenried und hat sich aber schnell verdrückt, als er gemerkt hat, dass jemand in der Hütte war.«
    Die Fahrt führte sie zur Route des Crêtes, wo nach einer engen Serpentine plötzlich die kreisenden Blaulichter eines Einsatzfahrzeugs der französischen Gendarmerie auftauchten. Der Streifenwagen parkte
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