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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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nicht?«
    »Wirklich klasse«, höhnte Tannenberg, setzte den Blinker und gab Vollgas.
    »Warte gefälligst, bis ich angeschnallt bin, du Kamikaze-Chauffeur.«
    »Bist ja nur neidisch, weil mein Auto gehörig Schmackes hat, im Gegensatz zu deiner lahmen, vierrädrigen Affenschaukel.«
    »Das ist sie nur, wenn du drinsitzt, ansonsten ist mein heiß geliebter 2 CV nämlich ein komfortables Kultauto der alternativen intellektuellen Elite dieses Landes.« Wie Lehrer Lämpel streckte er den Zeigefinger in die Höhe. »Und somit nebenbei bemerkt ein Stück abendländischer Kulturgeschichte.«
    »Sag mal, kann es sein, dass du gerade zu heiß gebadet hast?«
    »Was will dieser Scheuermann eigentlich in Bad Bergzabern?«, fragte der Rechtsmediziner, ohne auf Tannenbergs scherzhafte Bemerkung einzugehen.
    »Keine Ahnung. Wir fahren ihm jedenfalls hinterher. Und wenn Sabrina etwas Neues erfährt, sind wir ihm gleich auf den Fersen. Warum hat dieser Dödel auch sein Handy ausgeschaltet? Sonst könnten wir seinen Aufenthaltsort ganz leicht per Handyortung bestimmen lassen. Verfluchter Mist.«
    »Ja, das ist jammerschade. Aber womöglich war das Absicht.«
    Tannenberg blickte ihn von der Seite her an. »Glaubst du wirklich, dass er sich umbringen will?«
    Sein Freund fing den besorgten Blick auf. »Weiß nicht. Ich hoffe inständig, er hat es noch nicht getan.«
    »Er ist doch noch so verdammt jung.«
    »Laut Suizid-Statistik ist gerade das die Risikogruppe, denn Menschen in seinem Alter sind psychisch ausgesprochen instabil. Auch wenn sie uns äußerlich sehr kräftig und robust erscheinen mögen, so ist ihre Seele doch meist der reinste Oszillograf, der enorme emotionale Ausschläge sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung aufweist.
    Und wie du mir vorhin erzählt hast, scheint dieser Florian ein hochsensibler junger Mann zu sein. Man muss bedenken, dass der arme Kerl einen unglaublichen Tiefschlag zu verarbeiten hat. Was meinst du wohl, wie viel Hoffnung er in seinen ersten Tour-de-France-Start gesetzt hat.
    Das sollte doch der Beginn einer glanzvollen Karriere werden. Wie soll er solch einen Frust denn bewältigen? Und dann auch noch allein, weil seine Freundin ihm den Laufpass gegeben hat. Diese beiden extremen psychischen Belastungen potenzieren sich womöglich, was wiederum zu einer Kurzschlusshandlung …«
    »Einem Selbstmord führen könnte«, vollendete der Kriminalbeamte und fügte bekümmert hinzu: »Oder schon geführt hat.«
    Dr.   Schönthaler seufzte tief. »Ja, leider ist diese Befürchtung durchaus real. Viele junge Menschen haben sich aus weitaus nichtigeren Gründen das Leben genommen.«
    »Verdammt und zugenäht. Hoffentlich finden wir ihn noch rechtzeitig«, meinte Tannenberg.
    Dies war für lange Zeit der letzte Satz, den die beiden alten Freunde miteinander wechselten.
    Erst kurz vor Bad Bergzabern brach Tannenberg das Schweigen: »Und was machen wir nun? Sollen wir jetzt etwa irgendwelche wildfremden Menschen ansprechen und fragen, ob sie einen jungen Radprofi mit FCK-Rucksack gesehen haben und zufällig wissen, wo er abgeblieben ist.«
    »Hast du denn einen besseren Vorschlag?«
    »Nein«, gab sich Tannenberg kleinlaut geschlagen. »Außer abzuwarten, bis unsere Kollegen einen weiteren Hinweis erhalten, können wir zurzeit gar nichts tun. Vielleicht bringen ja auch die eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen etwas.«
    Natürlich wurde dieser verzweifelte Aktionismus nicht von Erfolg gekrönt. Keiner der befragten Passanten konnte irgendeine sachdienliche Angabe machen. Tannenberg und sein Freund setzten sich deprimiert auf eine Bank am westlichen Ortsrand, von wo aus man einen herrlichen Blick über die Rheinebene genießen konnte. Es war noch immer fast wolkenlos und angenehm warm.
    »Wo würdest du in solch einer Situation hinfahren?«, fragte der Kriminalbeamte.
    »Weiß nicht.«
    »Was wird er jetzt wohl gerade tun?«
    Nur ein leiser Seufzer zur Antwort.
    »Glaubst du, dass er noch am Leben ist?«
    Zwei, drei Minuten wanderte das Schweigen zwischen den beiden alten Freunden hin und her. Plötzlich vibrierte es in Tannenbergs Hosentasche. Er zuckte unwillkürlich zusammen. Mit fahriger Hand förderte er sein Handy zutage. ›Sabrina ruft an‹, leuchtete auf dem bläulichen Display auf.
    »Ja, was gibt’s?«
    »Aufgrund des Fahndungsaufrufs im Radio hat sich gerade ein Lkw-Fahrer gemeldet. Er hat behauptet, dass er vor einer guten halben Stunde einen jungen Mann in Colmar abgesetzt hätte. Die
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