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Leidenschaft zum Dessert

Leidenschaft zum Dessert

Titel: Leidenschaft zum Dessert
Autoren: Jennifer Lewis
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Gedanken und zwang ihn, sich wieder auf die Zeitung zu konzentrieren, die er vorgab zu lesen.
    „Ja. Mit elf.“ Er wagte es nicht, sie anzusehen. Ihre Augen hatten eine so starke Wirkung auf ihn, dass er nicht sicher war, ob er ihr widerstehen würde.
    „Sind Sie mit Ihren Eltern in Urlaub gefahren?“
    Urlaub? Gab es diesen Begriff in seiner Heimat überhaupt? „Nein.“
    „Sondern?“
    Kazim sah schließlich doch auf, und das Lächeln, das um ihre Lippen lag, schien ihn aufzufordern, sie hier und jetzt an sich zu ziehen und zu küssen. Er zwang sich dazu, seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch zu lenken, aber die Erinnerungen, die ihre Frage wachrief, nahm ihm jede Freude. „Ich verließ Oman, meine Heimat, zum ersten Mal, als man mich auf ein Internat in England schickte.“
    An jenem Tag hatte er alle Menschen, die er liebte, verlassen müssen und war allein und voller Angst in ein fremdes, kaltes Land gekommen, wo niemand seine Sprache sprach und keiner die Bräuche seiner Heimat kannte. Es wurde eine Reise, von der er nie wieder richtig zurückkehren sollte.
    „Hatten Sie Angst?“
    „Ja. Aber nicht in der Art, wie Sie annehmen. Der Flug gefiel mir. Kleine Jungs haben Spaß an großen Maschinen.“ Er zwang sich zu einem Lächeln.
    „Warum haben Ihre Eltern Sie in ein Internat gesteckt?“
    Eine Frage. Sicherlich nicht, um ihm eine ausgezeichnete Bildung zu ermöglichen, obwohl er die natürlich genossen hatte. Nicht um ihn mit der westlichen Kultur vertraut zu machen, obwohl auch das mit der Zeit geschehen war. Er war weggeschickt worden, weil sein Vater seine Mutter hatte bestrafen wollen. Um ihr zu zeigen, dass er Macht über sie hatte, hatte er ihr das Lieblingskind entrissen und es in ein fernes Land verbannt.
    Noch jetzt schwelte die Wut in ihm wie ein zerstörerisches Feuer, wenn er daran dachte, wie seine Mutter in Tränen aufgelöst mit ansehen musste, wie ihr schreiender Sohn von den Schergen seines Vaters fortgezerrt wurde. Kazim hatte sie nie wiedergesehen. Ihre Gesundheit war schon damals angegriffen gewesen, und nachdem man ihn fortgeschickt hatte, wurde sie schwächer und schwächer, bis sie plötzlich starb.
    „Sie glaubten, es würde mich zu einem Mann machen.“
    Sein Vater hatte Kazims enge Beziehung zu seiner Mutter nicht gebilligt und ihn ständig beschimpft, weil er als kleiner Junge gern zu ihr ins Bett geschlüpft war, wenn er Albträume hatte und nicht schlafen konnte, und weil er ihr überallhin folgte und mit ihr und ihren Damen lachte und scherzte und ihren sanften Humor und ihre zärtlichen Liebkosungen genoss.
    Keiner meiner Söhne versteckt sich hinter den Röcken einer Frau! Diese Worte seines Vaters würde er nie vergessen.
    „Es muss sehr schwer gewesen sein für Sie, Ihr Zuhause in einem so zarten Alter zu verlassen“, bemerkte Sara mit leicht zittriger Stimme.
    Kazim wurde bewusst, dass sie auf einen Ausdruck in seinem Gesicht reagiert haben musste. Er schwankte zwischen Verlegenheit und dem Drang, sich ihr anzuvertrauen. „Ja. Ich sprach nur wenig Englisch. Und ich war bisher kaum in der nächstgelegenen Stadt gewesen, geschweige denn in einem fremden Land und noch dazu allein. Ich hatte jeden Tag meines Lebens mit meiner Familie verbracht, und plötzlich wurde ich allem entrissen, was mir vertraut war. Überall um mich gab es nur fremde Menschen, eine fremde Sprache, fremdes Essen und das englische Wetter. Die heiße Sonne meiner Heimat fehlte mir fast so sehr wie meine Familie.“
    „Ja, ich habe gehört, dass das Wetter in England ziemlich gewöhnungsbedürftig ist.“ Sie lächelte zögernd.
    „Meine Pferde waren genauso überrascht wie ich. Sie konnten nicht verstehen, warum es plötzlich keine Sonne mehr gab und ständig Wasser vom Himmel fiel. Aber sie genossen wenigstens das üppige grüne Gras.“
    „Sie haben Pferde mit ins Internat genommen?“ Sie sah ihn mit so ehrlichem Interesse an, dass es Kazim nicht seltsam vorkam, längst vergessene Erinnerungen mit ihr zu teilen.
    „Ja. Ich nahm tatsächlich meine beiden Lieblingshengste mit. Die Schule bestand allerdings darauf, sie zu kastrieren, weil Hengste angeblich nicht mit den anderen Pferden auf der Weide laufen konnten.“
    Der Gedanke an die Kastration seiner Lieblinge tat ihm selbst heute noch weh. Damals war es so symbolisch für seine eigene Situation gewesen. Alle drei waren sie Fremde in einem Land gewesen, wo man sie ihrer Kraft und ihrer Stellung beraubt hatte. Aber gemeinsam hatten sie
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