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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marko Hautala
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Prozentsatz zum Polizisten, Beamten oder Psychiatriepfleger,selbst wenn man noch so genau aussiebte. Eine unerschöpfliche Ressource. Sein Partner bei dieser Schicht war Mikael Siinto. Vielleicht hatte er keinen Respekt mehr, nachdem sie ihn an sich herangelassen hatte. Eine einmal gefickte Chefärztin war wie ein durchgekautes Problem, ohne Prestige, verachtenswert. Wie gut würden diese beiden in den langen Nachtstunden miteinander auskommen! Männliches Einverständnis, Höhlenmentalität, unbegreiflich für Frauen. Groos öffnete die Augen und sah sich selbst von oben. Ein kleines Mädchen, das Arzt spielte. Die Hände hilflos und der Raum zu groß. Als würde man aus einem Traum erwachen, in dem man mit verbissenem Eifer allerlei Bedeutungsloses getan hatte, nur um im echten Leben wieder am Ausgangspunkt zu stehen.
    Hannele schloss den Dienstplan und begann zu summen. Auf der Leiste am unteren Bildschirmrand fand sich ein weggeklicktes Dokument. Patientenbericht: Finne, Olavi . Groos öffnete es.
    Das Formular war beinahe leer. Nur vier Worte:
    Der Patient hat recht.
    Groos las die Zeile halblaut und dachte an Mikael Siinto. An seine müde Traurigkeit, sein Murmeln, das fast wie Weinen klang. An das Lallen am Telefon, den Hass, mit dem er Finnes Jugendfreund begegnet war. An das Aufleuchten seiner Augen, wenn sein unruhiger Blick sie traf.
    Sie klickte den Cursor ans Ende des Satzes und drückte langsam die Backspace-Taste.
    Der Patient hatte nie recht. Nicht im Einzelfall und schon gar nicht generell. Das metallische Klappen der Stationstür riss Groos aus ihren Gedanken.
    Ihr Herz fing seltsam verzögert an zu rasen, als wäre ihre Reaktionsfähigkeit betäubt.
    Sie blickte vom Monitor auf und registrierte, dass sie eine vorbeihuschende Gestalt wahrgenommen hatte, in einer fließenden Bewegung. Groos beugte sich vor, sah aber niemanden.
    Die Tür klappte erneut, als sie ins Schloss fiel. Jemand hatte die Station verlassen.
    Groos stand auf und ging um den Tisch herum. Ihr Fuß schmerzte, aber stärker als der Schmerz war das zwingende Bedürfnis, einen Menschen zu sehen, ganz gleich, wen, sonst würde sie das Gefühl nicht los, völlig allein zu sein.
    Groos öffnete die Tür des Stationszimmers und trat hinaus, sah in Richtung Eingang. Niemand da. Sie stand starr da, eine Hand auf der Klinke wie auf einem Geländer, und lauschte.
    Die Haustür fiel ins Schloss. Wer Nachtdienst hatte, durfte die Klinik unter keinen Umständen verlassen, ohne den diensthabenden Arzt zu verständigen. Groos zog ihr Handy aus der Tasche.
    1 Anruf.
    Sie fluchte und sah genauer hin. Das Handy war stumm geschaltet, schon den ganzen Abend und die Nacht, seit sie sich zu Hause im Bett gewälzt und versucht hatte, vor dem Bereitschaftsdienst zu schlafen, dieses eine Mal ohne Medikamente. Sie rief die Anrufdaten auf. Die Nummer der Station A, der Anruf war vor mehr als zwei Stunden eingegangen.
    Groos zog die Tür hinter sich zu, absichtlich geräuschvoll, und blickte zum Männerflügel hinüber.
    »Ist hier jemand?«, rief sie heiser.
    Ihre an das helle Licht gewöhnten Augen sahen zuerst nur Halbdunkel. Dann einen Stuhlrücken. Darauf etwas Weißes. Einen hängenden Arm.
    »Mikael?«, fragte Groos, leiser diesmal. Nicht aus Rücksicht auf die Patienten, sondern weil sie den Vornamen verwendete wie eine Geliebte.
    Die Gestalt rührte sich nicht. Groos wusste, dass sie zu dem Mann hingehen, ihm einen Klaps geben, ihn am nächsten Morgen zu einer Unterredung zitieren musste. Dann wäre es vorbei mit dem Klatsch unter Kollegen und dem männlichen Überlegenheitsgefühl.
    Doch aus irgendeinem Grund wollte sie nur weg. Dieses nach Schlaf riechende Halbdunkel war nicht ihre Sache. Sollten sie schlafen, reden und schnarchen. Ihr Knöchel schmerzte. Sie hatte bekommen, was sie wollte. Wenn ein Pfleger während des Nachtdienstes die Station verließ, um in der Kühlkammer der Klinikküche Essen zu stehlen, würde das untersucht werden, irgendwann, nur nicht jetzt.
    Groos zog vorsichtig die Schlüssel aus der Tasche, umschloss sie mit der Hand, damit sie nicht klirrten, und ging zur Stationstür. Als sie den Schlüssel bereits ins Schloss gesteckt hatte, spürte sie, dass irgendwo links von ihr, am Flur zum Frauenflügel, jemand stand.
    Sie hielt in ihrer Bewegung inne und drehte sich um.
    Die Gestalt war reglos. Wie ein Fehler, ein Schatten im Röntgenbild.
    Groos merkte, dass sie das Papier mit den Tabletten umklammerte. Sie zog die Hand aus
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