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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marko Hautala
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Kollege atmete hörbar aus. Durch die Ritzen der Jalousie schimmerten dunkelblaue Streifen der Frühlingsnacht. Draußen war leise Gejohle und Geschrei zu hören.
    Hat außer Ihnen jemand diese … Frau gesehen?, fragte der Kommissar, als Olavi Finne geendet hatte.
    Ja.
    Aha. Und wer?
    Pyry.
    Der Kommissar hielt den Atem an. Dann schüttelte er den Kopf und legte die Hände auf den Tisch, so fest, dass es beinahe einen Schlag tat. Es sei nicht ratsam, erklärte er, Verwirrung zu stiften, indem man Fantasiegestalten erfinde. Und es sei zudem sinnlos, als Zeugen einen vierjährigen Jungen zu benennen, der in diesem Moment in der Zentralklinik liege, kalt und zerstückelt, in einem Zustand also, in dem er nicht fähig sei, die Aussage seniler alter Männer zu bestätigen, die irgendwelche Frauen gesehen haben wollen.
    Der Kollege machte leise eine Bemerkung.
    Der Kommissar nickte, nahm die Hände vom Tisch und senkte das Kinn. Nach eine Weile fuhr er fort: Halten Sie sich an die Wahrheit. Das ist besser für Sie. Ihre Zurechnungsfähigkeit wird in jedem Fall überprüft.
    Er verstehe die Verwirrung des Kommissars, versicherte Olavi Finne. Sehen Sie, sagte er, ich wusste ja auch nicht, dass Pyry in Wahrheit eine Katze war. Dass er mit mir im Wald war.
    Im Wald?
    Olavi Finne hob die Hand an die linke Augenbraue und zupfte daran. Ich habe es erst begriffen, als mir der Junge seine Augen zeigte. Als ich sah, dass er solche Augen hatte.
    Der Kommissar wartete ruhig ab.
    Aber davon wissen Sie nichts, sagte Olavi Finne schließlich. Sie waren damals noch gar nicht geboren.
    Noch nicht geboren? Wann?
    Damals im Wald, antwortete Olavi Finne.
    Der Kommissar seufzte und sah seinen Kollegen an. Das klingt allmählich nach einem Fall für den Psychiater, sagte er. Wir beenden die Vernehmung jetzt und setzen sie morgen fort.
    Er drehte sich zu seinem Computer und fing an zu tippen. In der Ferne verebbte das nächtliche Geschrei allmählich. Schließlich war nur noch der Wind zu hören.
    Die Vernehmung wurde um 3 Uhr 35 abgebrochen.
    Olavi Finne wurde für den Rest der Nacht in eine Zelle gesteckt. Der Wärter, der die Monitore überwachte, sagte am nächsten Morgen, der Mann habe fast die ganze Zeit mit offenen Augen dagelegen, abgesehen von zwei kurzen Zwischenfällen.
    Zuerst habe der Tatverdächtige gegen fünf Uhr gefordert, auf der Stelle wieder zur Vernehmung gebracht zu werden. Zur Begründung habe er angegeben, am nächsten Tag sei er nicht mehr in der Lage, zu sprechen. Die Bitte wurde abgelehnt. Später habe er den Wärter gebeten, ihm den Pokal zu besorgen, den die Männer im Fernsehen in die Luft gestemmt hätten. Bitte abgelehnt.
    Die Vernehmung wurde am nächsten Vormittag um 10 Uhr 30 fortgesetzt. Olavi Finne wurde in den Vernehmungsraum gebracht, wo ihn derselbe Kommissar erwartete wie in der Nacht. Der Mangel an Schlaf ließ das Gesicht des Beamten älter wirken.
    Sein Kollege war ein anderer, und diesmal saßen beide Männer Olavi Finne gegenüber. Die Jalousien waren hochgezogen, dafür war das Lüftungsfenster geschlossen. Im Raum herrschte helle Lautlosigkeit.
    Mit zusammengekniffenen Augen sah der Kommissar auf seinen Computerbildschirm, während er die Maus bewegte.
    Sie haben von einer Frau gesprochen, die mit Ihnen und Pyry Finne in der Wohnung gewesen sein soll, sagte er, ohne aufzublicken.
    Olavi Finne blieb stumm und regungslos.
    Die Mutter des Jungen hat uns bestätigt, dass Pyry früher einmal von einer Frau gesprochen hat.
    Der Kommissar sah den Verdächtigen an, konnte aber keine Reaktion entdecken.
    Der Mutter zufolge hat der Junge sie gefragt, wer die hässliche Frau sei, die immer komme, wenn er mit Ihnen allein sei.
    Der Kollege kaute Kaugummi, seine Kiefer bewegten sich wiegend hin und her.
    Antworten Sie, sagte der Kommissar und legte die gefalteten Hände vor sich auf den Tisch. Wer ist diese Frau? Gibt es sie überhaupt?
    Die beiden Kommissare sahen Olavi Finne ausdruckslos an. Der eine hatte den Kopf leicht nach links gelegt, der andere nach rechts. Die Kiefer des einen mahlten weiter. Der andere hob seine ineinandergeflochteten Finger, einen nach dem anderen, in gleichmäßigem Takt. Staubpartikel schwebten in der Luft, zuckten in unsichtbaren Strömungen hin und her wie Fische im Wasser.
    Die Frau war da, dicht hinter den Polizisten. Olavi Finne hätte mit dem Finger auf sie zeigen, hätte die Männer bitten können, hinzusehen, wenn sie den richtigen Blick dafür gehabt hätten. Die Frau
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