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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marko Hautala
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schließlich hervor. Der Tonfall verriet, dass dieses Thema damit für ihn abgehakt war. Jokela selbst lästerte gelegentlich über Patienten, besonders wenn er gut gelaunt war. Das hatte Mikael oft genug mitbekommen.
    »Der Patient hat eine böse Wunde im Gesicht«, fuhr der Arzt fort. »Da wird eine Narbe zurückbleiben, aber sonst …«
    Mikael wartete ungeduldig auf die Fortsetzung, schwieg jedoch.
    »Sonst hat er nichts. Aber wie du weißt, müssen derartige Vorfälle stets aufgearbeitet werden. Schade, dass es keine Zeugen gibt. Man muss gut aufpassen, wenn man es mit straffällig gewordenen, schwer zu behandelnden Patienten zu tun hat. Meiner Meinung nach aber liegt der Fall ziemlich klar.«
    Jokela seufzte und ließ den Blick durch das Zimmer wandern.
    »Die Versetzung auf eine andere Station ist in Wahrheit keine Strafe«, fuhr er nach einer kleinen Weile fort. »Das ist dir sicher klar.«
    Sein Blick war gleichzeitig streng und flehend. Gib dich einverstanden, schien er zu besagen, damit ein besserer Eindruck entsteht, falls die Sache ein Nachspiel hat. Ich will keine fremden Schnüffler im Haus haben. Und ich möchte, dass bei meinem Abschied eine lockere Stimmung herrscht.
    »Du nimmst jetzt zwei Tage Urlaub, wenn du sicher bist, dass du nicht mehr brauchst, und kommst dann wieder zum Dienst. Wir werden dich auf Station A einteilen, dort fehlt ein Pfleger.«
    Alle hatten von Lauri Kuuttis Selbstmord gehört, aber im Haus wurde darüber nur indirekt gesprochen. Es wurde betont, wie wichtig es sei, dem Burnout vorzubeugen. Gegen berufliche Überlastung als Auslöser sprach allerdings in Kuuttis Fall, dass Station A die friedlichste der ganzen Klinik war, gemessen an der Zahl der Alarmmeldungen. Inoffiziell hieß sie LoveBoat, denn sie war die einzige gemischte Abteilung der Klinik. Ein guter Platz für nervlich angeschlagene Pfleger.
    »Das ist die einfachste und in jeder Hinsicht praktischste Lösung«, sagte Jokela.
    Oberschwester Parkkonen nickte und setzte ein Lächeln auf, das sie vermutlich bei irgendeinem Kurs für Führungskräfte im öffentlichen Dienst gelernt hatte.
    »Du hast schwere Zeiten hinter dir«, meinte sie.
    »Mein Privatleben darf aber keinen Einfluss auf eure Entscheidung haben«, antwortete Mikael.
    »Hat es auch nicht«, versicherte Parkkonen hastig. »Aber menschlich betrachtet …«
    Sie neigte den Kopf, um freundlich zu wirken. Dabei wusste jeder, dass Parkkonen über Leichen gegangen war, um Oberschwester zu werden.
    »Auf Station A ist die Arbeit auch sinnvoll«, mischte Jokela sich ein. »Der Stationsleiter, Juhani Autio, ist ein lockerer Typ, und mit den Patienten kann man vernünftig arbeiten, bei gleichem Gehalt.«
    Mikael nickte mechanisch. Alles klang richtig gut, wie ein Geschenk …
    »Durchaus möglich«, sagte er und riss sich zusammen, »aber in den Augen der Kollegen entsteht doch der Eindruck, dass ich wegen dieser privaten Gründe bei dem Patienten überreagiert habe.«
    »Aber nein …«
    »Aber ja, verdammt noch mal«, fauchte Mikael.
    Er versuchte zu lächeln, um die Situation zu entspannen, doch der Versuch schlug offenbar fehl. Parkkonen machte eine undurchdringliche Miene und Jokela zog die Augenbrauen hoch. Er duldete es nicht, angefaucht zu werden.
    »Okay, wie ihr wollt«, lenkte Mikael ein, »aber die Fakten sollten wir schon anerkennen.«
    Jokela nickte zum Zeichen dafür, dass der Tonfall nun wiederim akzeptablen Bereich lag. »Wir werden die Sache auf den Stationen ansprechen«, versprach er. »Wir stellen klar, was passiert ist und dass es eine lebensbedrohliche Situation war.«
    Er ließ keinen Zweifel daran, dass dies das beste Prozedere war. Mikael würde sich damit zufriedengeben müssen, wenn er das Gespräch hinter sich bringen wollte.
    In Mikaels Kopf jedoch pochte der Wunsch, endlich gefragt zu werden: Warum hast du weiter zugeschlagen, als der Patient außer Gefecht gesetzt war? Aus Furcht, mit dieser Frage konfrontiert zu werden, war erst jetzt, da offenkundig niemand einen Verdacht äußern, sich über die Vielzahl der Verletzungen wundern wollte, der Wunsch geworden, sie endlich gestellt zu bekommen.
    »Ist das alles?«, fragte Mikael.
    »Ja«, antwortete Jokela und schlug die Hände zusammen. Die drängende Geste verriet, dass er befürchtet hatte, die Angelegenheit würde weitaus komplizierter werden. »Jetzt gehst du erst mal nach Hause und ruhst dich aus.«
    Ausruhen. Sich in die Horizontale begeben. Wie bei der Tomografie oder auf
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