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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marko Hautala
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dem Friedhof.
    Mikael hätte am liebsten darum gebeten, seinen Bericht noch einmal lesen zu dürfen, um sich zu erinnern, was er eigentlich geschrieben hatte, aber sein Instinkt riet ihm, zu gehen. Er stand auf und steckte die Hände rasch in die Kitteltaschen.
    »Du hast einen blauen Fleck abgekriegt. Hier«, sagte Parkkonen und fasste sich an den Hals.
    »Das ist … nicht weiter schlimm«, erwiderte Mikael und ging zur Tür.
    Er hatte keinen Bluterguss gesehen.
    Als er das Verwaltungsgebäude verließ, sah Mikael einige Patienten von der Ergotherapiestunde zur Station zurückkehren. Den Therapeuten, der sie begleitete, hätte man auch ohne seinen grünen Kittel als solchen erkannt. Er war der Einzige, dernicht unter den Auswirkungen der Medikamentation – eingefallene Schultern, bis zu den Knien hängende Arme – litt.
    Einer der Patienten blieb zurück und sah Mikael an. Mikael kannte ihn und winkte ihm mechanisch zu.
    Der Mann hob seine schlappe Hand, aber nicht zum Gruß. Vielmehr machte er eine Bewegung quer über seinen Hals.
    Mikael ließ den Arm sinken, ging auf den Parkplatz und setzte sich in seinen Wagen. Im Rückspiegel betrachtete er seinen Hals. Links verlief ein blauschwarzer Streifen am Schlüsselbein entlang. Es war leicht, ihn unter dem Kragen zu verstecken. Saana brauchte ihn nicht zu sehen.
    Als er schließlich zu starten bereit war, wollte der Schlüssel nicht ins Schloss finden. Als säße Mikael in einem fremden Wagen.
    An der Ampel beim Kauppapuistikko schlug das Erstickungsgefühl zu.
    Mikael parkte schräg, stellte den Motor ab und sog die Lunge voller Luft, die er langsam wieder ausatmete. Seine Gedanken flitzten hin und her wie aufgescheuchte Ameisen. Die linke Seite seines Halses glühte.
    Als er aufblickte, sah er an der Stirnseite der Bushaltestelle eine Leuchtreklame, auf der stand: Breathe .
    Was für ein Zufall, dachte Mikael und betrachtete das Wort Buchstabe für Buchstabe, atmete dabei ein und aus. Man sollte aussteigen und irgendeinen Passanten an der Schulter fassen, ihm erzählen, dass es immer und überall diese Zufälle gibt. Dass der Moment kommt, wo es zu spät ist, sie zu sehen.
    Allmählich beruhigte sich sein Atem wieder.
    Mikael betrachtete das Bild auf dem Werbeplakat. Er bewunderte das starre Lächeln im faltenlosen Gesicht der Frau und die großen Augen, deren Iriden fast schwarz waren, wie alter Harz. Er malte sich das Fotoshooting aus, das zu diesem perfekten Resultat geführt hatte, die lustigen kleinen Pannen, die dabeivielleicht passiert waren, stellte sich vor, wie die Frau nach getaner Arbeit nach Hause zurückkehrte, im Spiegel ihr perfektes Gesicht und ihre perfekten Brüste betrachtete, ihre stolzen Eltern anrief, die als einfache Bauern irgendwo in Frankreich oder im Mittleren Westen lebten, und ein Leben plante, das vorläufig ewig dauerte.
    Das Rauschen der Gedanken wirkte beruhigend. Routine fand zu Routine. Mikael musste nach Hause fahren. Er straffte sich und ließ den Motor an.
    Als er an der Bushaltestelle vorbeifuhr, sah er im Licht der Reklame eine junge Frau, vielleicht sechzehn, deren Atem dampfte. Auf dem Kopf trug sie einen breitkrempigen Wollhut, darunter fielen die Haare in zwei Wellen links und rechts über ihre Schultern. Um den Hals trug sie einen weinroten gestrickten Schal, über der Schulter eine Tasche mit Inkamuster. Zu jung, um sich über die elementaren Dinge zu grämen, über den Atem. Der stieg ganz nebenbei in die Luft, während vor ihrem inneren Auge irgendwelche Chatskandale oder Idolfantasien abliefen. Auch Saana war einmal so gewesen, dachte Mikael. Verirrt, aber noch unsterblich.

4
    »Ich hätte gerne Vögel.«
    Saanas schläfrige Stimme ließ darauf schließen, dass ihr der Gedanke gerade erst gekommen war.
    Sie lagen träge auf dem Sofa. Mikael streichelte Saanas Haaransatz, der allmählich wieder sichtbar wurde. Zarte Haare, über deren weiteres Wachsen sie nicht zu sprechen wagten, obwohl ganz klar war, dass die Therapie anschlug.
    Saana selbst war nicht bereit, allein auf etwas derart Brutales wie Zytostatika zu setzen. Ihr Haifischknorpelpulver und ihr Mistelextrakt standen im Badezimmerschrank, sorgfältig aufgereiht wie auf einem kleinen Altar. Das schwarz-rot gestreifte Kopftuch lag demonstrativ zusammengeknüllt auf dem Kissen. Saana hatte Kopftücher immer gehasst, ihrer Meinung nach trugen nur Omas und die Speerwerferin Mikaela Ingberg diese altmodischen Dinger.
    »Hier?«, fragte Mikael schläfrig. »Zu
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