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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marko Hautala
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war da, genau wie der Tisch und die Männer und der im Licht treibende Staub.
    Wieso nimmt der Tod dich nicht fort du bleibst obwohl die Sonne altert und ich zerfalle.
    Die Frau hätte ihren krallendürren Arm ausstrecken können, sodass ihre Handfläche vom verfilzten Haar des Kommissars gekitzelt worden wäre. Aber es war zu spät. Der Mann, der von der Frau hätte erzählen können, war bereits stumm.
    Habe ich alles richtig gemacht? , fragte Olavi Finne, wie einer fragt, der nicht sprechen kann.
    Die Frau antwortete nicht. Sie sah ihn nur an.
    Die Vernehmung endete um 10 Uhr 45, als der Kommissar in seinen Kaffeebecher spuckte und diesen vor Olavi Finne auf den Tisch stellte.

DER VOGELKÄFIG

2
    Mikael Siinto lehnte sich gegen die steinerne Fensterbank und schaute zum Fenster hinaus. Die Lampen auf dem eingezäunten Hof der Klinik Högholm erwachten flackernd zum Leben wie zwei von der Dämmerung geweckte Nachtvögel.
    Hinter dem Maschendrahtzaun, der den Hof umgab, wuchs lichter Wald. Als hätte ein Kind einen Strauß schwarze Pappbäume ausgeschnitten und sie mitten in die im Dunkel verschwindende Landschaft geworfen. Zwischen den Stämmen leuchtete ein roter Punkt, vielleicht eine Warnlampe irgendwo in der Ferne. Wenn man den Kopf langsam hin und her drehte, verschwand der Lichtpunkt und erschien dann wieder. Verschwand, erschien. Er und die flackernde Hofbeleuchtung schienen ein regelloses Morsespiel zu treiben.
    Ein Paranoiker hätte darin geheime Botschaften erkannt. Ein Paranoiker oder ein todmüder Pfleger.
    »Könntest du das Besteck abzählen?«
    Mikael schrak auf. Pia stand neben ihm. Sie hatte die Haare seltsam gekämmt. Die Ärmel ihres weißen Kittels schlotterten, in der linken Hand hielt sie eine feuchte Klopapierrolle.
    »Ich komme nicht dazu, weil ich Jarmo zum Klo bringen muss«, erklärte Pia.
    »Klar, dann mach ich das.«
    Pia bedankte sich und machte sich auf den Weg in den Einserflügel.
    Mikael drehte sich um und ging durch den Aufenthaltsraum in den Speisesaal der Station. Die leeren Tische glänzten imLicht der Torlampen, das durch die Bogenfenster an der Stirnwand fiel. Ein gleichmäßiges, kaltes Licht.
    Die Tür zur Patientenküche flog auf.
    »Schnell, schnell«, rief Aulis und fuchtelte mit den Armen, die bis zu den Ellbogen in hellblauen Küchenhandschuhen steckten. »Pia geht einfach weg, hier muss alles in Ordnung sein, bevor die Uhr …«
    »Nun krieg dich ein«, sagte Mikael. Verdammt, wie müde er war.
    Aulis war für die Küche verantwortlich. Er machte seine Arbeit gut, nahm sie aber zu ernst.
    »Wir sind doch keine Sklaven der Uhr.«
    Aulis schnaubte und sah sich ängstlich im Speisesaal um, als könnte der Raum von allein schmutzig werden. Aulis war der Lieblingspatient der Putzkräfte. Wo er sauber gemacht hatte, brauchte man nicht mehr zu wischen.
    »Geh doch mal nachsehen, ob die Klos im Zweierflügel in Ordnung sind«, schlug Mikael vor. »Ich zähle solange das Besteck. Und dann können wir die Küche abschließen.«
    »Aber es ist doch schon halb …«
    »Geh schon, oder ich schleif dich hin«, sagte eine Stimme hinter Mikael.
    Es war Rautakoski. Er machte ein grimmiges Gesicht und zeigte mit ausgestrecktem Arm zum Zweierflügel. Aulis legte leise Protest ein und sah Mikael flehentlich an. Er brauchte moralische Unterstützung. Er verlangte doch nichts weiter, als dass man sich an den Zeitplan hielt. Sonst würde alles zusammenbrechen.
    »Du solltest besser gehen«, sagte Mikael einlenkend.
    Rautakoski aber hatte keine Lust auf eine versöhnliche Geste. Im Keller seines Einfamilienhauses stand fast kniehoch kackbraunes Wasser und der Geruch entsprach dem Farbton.
    Streitigkeiten im Speisesaal endeten ausnahmslos mit einer Niederlage und hatten die Isolierung des Patienten zurFolge, das wusste Aulis. Dass er einen halben Kopf größer war als die beiden Pfleger, spielte dabei keine Rolle. Beim letzten Mal hatte man ihn so energisch abtransportiert, dass er einen Pantoffel verloren hatte.
    »Alles bleibt liegen, verdammt«, schimpfte Aulis weinerlich und ging davon wie ein Kind, dem man befiehlt, sich in die Ecke zu stellen.
    »Ich würde dem Kerl am liebsten mit einer Flinte in den Kopf schießen«, sagte Rautakoski mit kaum gedämpfter Stimme. »So, dass er noch zehn Meter weiterläuft, mitsamt seinen scheiß Gummihandschuhen.«
    »Manchmal schon«, lachte Mikael und ging, ohne, sich für die Unterstützung zu bedanken, aus dem halbdunklen Speisesaal in die
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