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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marko Hautala
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Nachtdienst geplaudert hatte, während sie ununterbrochen daran dachte, dass sie gerade mit einem Mitarbeiter gevögelt hatte. Nur vage war ihr bewusst gewesen, dass irgendwo hinter ihrer Routine die Enttäuschung darüber pulsierte, dass sie nicht erwischt worden war. Als hätte ein neues Vergehen alle früheren ausgelöscht.
    Wenn es mehr als einen Willen gab, musste man summen. Nur der Klang der eigenen Stimme in den Schädelwänden hatte Bestand, wenn es schwierig war, sein Gesicht und seine Taten als die eigenen zu erkennen. Als Kind hatte sie noch gewusst, wer sie war. Wann hatte sie eigentlich begonnen, diese Verwandlung des eigenen Lebens in ein Untersuchungsobjekt?
    Das erleichternde Knacksen des Schlosses am Medizinschrankließ Groos’ Aufmerksamkeit einen Moment zu früh sinken. Als sie die in Küchenkrepp gewickelten Pillen in die Tasche steckte, hörte sie ein leises Geräusch, als wäre eine Stecknadel zu Boden gefallen. Das Summen verstummte.
    Groos blickte auf den Boden, ging mit kurzen Schritten rückwärts, bis sie mit dem Schulterblatt gegen die Tür des Verbandskastens stieß. Sie hatte nicht gesehen, dass der Kasten offenstand, hatte nicht aufgepasst. Wie dumm von ihr. Hannele kämpfte gegen die Panik an und ließ den Blick über den Fußboden zwischen dem Medizinschrank und dem Regal schweifen, sah aber nichts. Sie meinte, das Klirren von Schlüsseln zu hören, doch sie behielt einen kühlen Kopf. Es durfte kein Beweismaterial zurückbleiben. Solange es keine konkreten Beweise gab, war alles nur Gerede und so oder so auslegbar.
    Groos entdeckte die Tablette. Sie lag auf dem Fußboden, an einer Stelle, die das Neonlicht wie einen nebligen Leuchtstab reflektierte. Deshalb hatte sie die Pille nicht sofort bemerkt. Groos bückte sich, feuchtete die Fingerspitze an, hob die Pille auf und steckte sie in die Tasche. Dann trat sie hastig aus der Zimmerecke, glitt dabei aus. Ein spitzer Schmerz schoss durch ihren Knöchel, aber sie strauchelte nicht.
    Im Fenster vor ihr spiegelten sich eine Frau im weißen Kittel und die hell erleuchtete Welt des Stationszimmers. An den wenigen dunklen Stellen schimmerte der leere Aufenthaltsraum durch, schwach beleuchtet und reglos. Groos zog den erstbesten Ordner aus dem Regal hinter dem Schreibtisch und setzte sich. Sie blickte auf eine beliebig aufgeschlagene Seite, die Buchstaben vor ihr verschwammen jedoch, denn etwas anderes nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie begann wieder zu summen, jetzt war es nur ausströmende Luft. Ihr Knöchel schmerzte, als sie intuitiv den Fuß drehte, um zu überprüfen, ob er verletzt war.
    Von der Station her waren Gemurmel und ein dumpfes Poltern zu hören. Groos hielt den Atem an und lauschte. Keine sichnähernden Schritte, kein Hüsteln, kein schläfriges Gespräch der Kollegen.
    Nur das Sirren der Neonröhren. Das Surren des Computers, als ob jemand in einem fort ausatmete.
    Zu still.
    Groos sah vom Ordner auf und blickte durch das Fenster. Keine Bewegung. Die Stühle und Tische im leeren Aufenthaltsraum, die halbdunkle Leere des Männerflügels.
    Die Furcht vor Entdeckung ließ nach, verwandelte sich in Enttäuschung darüber, dass der Adrenalinstoß umsonst gewesen war. Wut kam auf, Verärgerung über den Mangel an Respekt. Interessierten sich die Kollegen vom Nachtdienst nicht für ihren Besuch?
    Groos erwog, die Stationsflügel zu inspizieren, doch das erschien ihr irgendwie erniedrigend. Es war nicht ihre Aufgabe, nach dem Personal zu rufen. Die Mitarbeiter hatten zur Stelle zu sein. Hannele drehte sich um und schaltete den Monitor ein, der so stand, dass man von der Station aus nicht daraufschauen konnte. Das war eine der Maßnahmen, die sie gleich nach ihrem Amtsantritt hatte verfügen müssen.
    Der Bildschirm erstrahlte in fröhlichen Farben. Auf grünem Hintergrund sprühte eine Feuerwerksgrafik, in deren Mitte mit großen Buchstaben stand: Du hast gewonnen . Groos beendete das Spiel. Die grellen Farben blieben auf ihrer Netzhaut zurück, schienen sie zu verhöhnen. Sie rief den Dienstplan auf und fuhr mit dem Finger über die Zeilen, bis sie das richtige Datum fand.
    Stefan Levander. Mikael Siinto.
    Hannele seufzte und lauschte auf die Stille, die irgendetwas im Schilde zu führen schien. Sie schloss die Augen und sah Stefan Levanders blutrünstigen Blick und seine von irgendeiner zurückliegenden Enttäuschung versteinerte Miene. Ein verbitterter Sadist, von diesem Menschenschlag brachte es ein bestimmter
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