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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marko Hautala
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der Tasche.
    »Hallo«, sagte sie und kniff die Augen zusammen.
    Die Gestalt antwortete nicht. Irgendwo hinter ihr leuchtete das Licht der Lampen auf dem Hof, wie ein fernes Echo, das sich nicht zu Worten formte. Irgendeine Patientin war von ihren Rufen aufgewacht, vermutlich. War vielleicht benommen, noch halb im Schlaf.
    Groos hörte ein Murmeln hinter sich. Es klang, als käme jemand näher, der nicht richtig sprechen konnte. Sie drehte sich um, zu schnell, ängstlich. Die Gestalt im Männerflügel zuckte und wimmerte leise wie ein träumender Hund.
    Erneut blickte Groos zum Frauenflügel. Die Gestalt dort war weg. Vermutlich zur Toilette oder zurück in ihr Zimmer gegangen. In ihrem Schreck hatte Groos die Tür wohl überhört. Sie steckte den Schlüssel wieder ein und ging mit schnellen Schritten zum Männerflügel. Die Wut brannte auf ihrer Haut, sie war ihr willkommen, vertraut. Sie ging energisch voran, ohne Rücksicht auf ihren schmerzenden Knöchel, ohne ihre Schrittezu dämpfen. Instinktiv rief sie sich in Erinnerung, wo sich die Alarmknöpfe befanden, für alle Fälle. An der Wand des Aufenthaltsraums, am Ende des Flurs, neben der Tür zum Isolierzimmer.
    »Aufwachen«, sagte sie lauter als beabsichtigt.
    Der Kopf zuckte nach hinten, als wäre der Mann aus dem Schlaf geschreckt, aber gleich wieder eingedöst. Groos kam am Isolierzimmer vorbei und warf einen Blick hinein, ohne anzuhalten. Der ans Bett gefesselte Finne hatte den Kopf angehoben. Seine Augen waren im Halbdunkel bloße Löcher, der Mund stand offen, lächelnd oder eine Klage ausstoßend, die von der Metalltür und dem Panzerglas angehalten wurde.
    Groos war nun ganz nah, etwa fünf Meter entfernt. Der letzte Alarmknopf im Flur blieb zurück. Sie erkannte Stefan Levander an den dunklen Haaren und der kahlen Stelle oben auf dem Kopf. Der Mann hing auf dem Stuhl, als wollte er sich durch den Sitz bohren.
    Groos blieb stehen. Sie betrachtete die Pfütze, die sich um das vordere Stuhlbein gebildet hatte und zu wachsen schien. Hatte der Mann in die Hose gemacht? Ein derart erniedrigender Zustand wäre Groos durchaus zupass gekommen, aber es gab keine schwarze Pisse. Das Zwielicht veränderte die Farben, deutete das Rot als Dunkelheit.
    »Aufwachen«, sagte Groos, ehrerbietiger, als sie es sich je zugetraut hätte.
    Der Kopf des Mannes zuckte erneut, diesmal in ihre Richtung, wie bei einem jungen Heroinsüchtigen, der die Stimme seiner Mutter hört. Das dunkle Hemd, das er unter dem Kittel trug, war feucht. Es glänzte im schwachen Schein der Hoflampen. Groos blickte an die Wand. Doch sosehr sie sich auch bemühte, etwas anderes zu sehen, die Formen waren eindeutig.
    Drei Ziffern. Ungeschlacht hingeschmiert, als hätte die schwarze Farbe vorzeitig auszugehen gedroht.
    In Groos’ Magen prickelte es, wie in ihrer Jugend, wennungeschickte Hände über ihren Rücken wanderten, den Verschluss an ihrem BH suchten. Damals hatte sie nicht begriffen, dass das Gefühl Angst war.
    Im Stationszimmer klingelte das Telefon. Es war ein gedämpftes Läuten, jagte ihr aber dennoch einen Schrecken ein.
    Wie als Antwort stieß Stefu einen leisen Seufzer aus, eine Mischung aus Gähnen und Klage. Er versuchte, den Blick auf Groos zu richten. Sein Kopf schwankte, als säße er in einem schaukelnden Boot. Er betrachtete seinen Bauch, strich mit den Händen darüber.
    »Bin ich …«
    Er sprach lallend. Hannele trat einen Schritt zurück. Das Telefon läutete noch einmal und verstummte.
    »… wach?«
    Stefu betrachtete seine feucht glänzenden Handflächen und Finger.
    »Bewegen Sie sich nicht«, sagte Groos und trat näher, in der Absicht, ihm zu helfen, hielt aber inne. Sie wollte sich nicht beflecken, das hier war schmutzig. Ihre Haut prickelte wie unter Strom, zog sich schützend um ihre Knochen und inneren Organe zusammen. Eine primitive Reaktion, die in den Büchern so simpel schien.
    Groos wollte das Handy hervorziehen, merkte jedoch, dass sie in der falschen Tasche suchte. Die Pillen fielen heraus, rollten kaum hörbar über den Boden, bis sie in der schwarzen Flüssigkeit landeten. Als sie das Handy endlich fand, hörte sie hinter sich ein Geräusch. Ein Schlüssel schabte im Schloss. Groos drehte sich um und sah einen weißen Kittel am Ende des Flurs, hinter dem Eingang zur Station. Sie winkte hastig, wie ein Schiffbrüchiger beim Anblick einer Suchpatrouille, und lief zur Tür.
    Mikael betrat die Station langsam, widerstrebend. Groos begriff durchaus, dass sein
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