Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb

Titel: Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Eins
    Freitag
    Ich habe gleich gespürt, da stimmt was nicht. Das ging schon im Traum los. Ich war in einem Haus unterwegs, das genauso aussah wie das Hotel, in dem meine Ma arbeitet, aber es war viel größer. Überall rannten Leute rum. Ich habe kein Wort verstanden von dem, was sie die ganze Zeit geredet haben. Und mittendrin war ich.
    Ich war mit Vitali verabredet, und der kam nicht.
    Ich lief runter zum Schwimmbad. Ich dachte: Vielleicht ist er bei seiner Ma, die im selben Hotel arbeitet wie meine, bloß unten in den Hofbräustuben. Da war er nicht. Ich wurde langsam sauer. Genau wie das Hotel war das Lokal viel größer als in echt. An den Tischen saßen lauter Leute, die sich in einer müsteriösen Sprache unterhalten haben. Totales Gedränge, und nirgends Vitali.
    Ich lief wieder rauf in die Lobby. Und da war niemand mehr. Und weil ich das nicht verstanden habe, bin ich zum Lift gegangen und nach oben gefahren. Eigentlich wollte ich in den achten Stock. Aber der Lift fuhr weiter, immer weiter und höher und höher. Und ich dachte: Soein Mist, Vitali wartet bestimmt in seiner Wohnung, und die ist im achten Stock, das war ganz klar. Obwohl ich doch wusste, dass er in der Davidstraße wohnt.
    Ohne dass was gekracht hätte, ist der Lift aus dem Dach rausgefahren und über das Hotel geflogen und hat sich in einen Zug verwandelt, in eine Eisenbahn.
    Ich saß in einem Waggon und schaute zum Fenster raus. Leute stiegen ein und aus. Ich drückte mich in die Ecke. Draußen sauste die Landschaft vorbei, Wiesen, Häuser, Straßen, alles durcheinander. Der Zug fuhr ziemlich schnell. Ich habe überlegt, ob ich wieder zurückfinde. An der nächsten Haltestelle wollte ich aussteigen. Dann bin ich aufgewacht.
    Und ich habe sofort gewusst: Da stimmt was nicht. Weil ich was sagen wollte und das nicht ging. Meine Ma behauptet, ich hätte schon als Kleinkind immer sofort nach dem Aufwachen geredet oder gemurmelt oder irgendwas. Jedenfalls hätte ich immer einen Laut von mir gegeben, kaum dass ich die Augen aufgekriegt habe.
    Jetzt passierte nichts. Ich klappte den Mund auf und zu. Nur Sabber tropfte raus.
    Verdammt, habe ich gedacht, vielleicht träume ich immer noch.
    Da kam meine Ma rein und riss die Vorhänge auf. Sieben Uhr, echte Wirklichkeit.
    »Guten Morgen«, sagte sie, ohne »mein Schatz« wie sonst. »Jetzt ist Schluss mit Schule schwänzen.«
    Ich zog die Decke über den Kopf. Das tu ich immer. Manchmal zieht meine Ma sie wieder weg und gibt mir einen Kuss. Diesmal nicht.
    »Ich muss gleich los«, sagte sie. »Dein Vater macht dir das Frühstück.«
    Noch was, was nicht stimmte. Mein Vater macht nie das Frühstück. Er sitzt höchstens dabei. Oder er steht in der Küche rum. Gemacht hat er noch nie irgendwas in der Früh.
    Ich wollte meine Ma fragen, ob sie immer noch sauer war wegen gestern. Ich streckte meinen Kopf unter der Decke vor. Da schloss sie die Tür und flüsterte mit meinem Vater. Ich kriegte mit, dass der kranke Opa Ferdi in dem Flüstern vorkam.
    Ich hätte auch gern geflüstert. Aber das ging nicht.

Zwei
    Immer noch Freitag
    »Schweig-schweig.«
    Wenn mein Vater beim Frühstück was rausbringt, dann ist es unverstehbar. Genauso gut könnte er sagen: Schweig-schweig.
    Ich saß am Tisch, er stand an der Spüle und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand. Meine Ma war schon weggegangen, und ich hatte keine Ahnung, wohin. Normalerweise fängt ihr Dienst erst um neun an.
    Während ich mein Müsli löffelte, dachte ich über meinen Traum nach. Wieso hatte ich Vitali nirgends gefunden? Wieso hatte alles so anders ausgesehen? Und was bedeutet ein fliegender Aufzug, der sich in einen Zug verwandelt, und zwar in keinen ICE, sondern in einen mit Abteilen und Ledersitzen wie in alten Filmen?
    »Schweig-schweig«, sagte mein Vater.
    Ich sah ihn an und nickte. Wenn meine Ma dabei ist, schüttelt sie den Kopf oder fragt, was mein Vater in seinen Bart nuschelt. Er hat keinen Bart, und er nuschelt auch nicht. Wahrscheinlich murmelt er einfach in sich hinein.
    Keine Ahnung, warum meine Ma immer will, dass man schon am Morgen MITEINANDER SPRICHT.
    An diesem Morgen wirkte mein Vater so, als wollte er was Wichtiges sagen. Er holte Luft, öfter hintereinander, er öffnete den Mund, das konnte ich genau erkennen. Aber dann trank er noch einen Schluck Kaffee und schaute zum Boden.
    Ich trank mein Wasserglas aus. Mehr als die Hälfte des Müslis schaffe ich nie. Wenn meine Ma jetzt hiergewesen wäre, hätte sie mich ermahnt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher