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Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee
Autoren: Peter Mennigen
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wiederholte Decker.
    Carnahan verharrte einen Moment wie in Gedanken verloren. »Wissen Sie, das Leben schlägt manchmal komische Kapriolen. Eigentlich hatte ich für die Zukunft keine Pläne mehr, außer meinen geruhsamen Lebensabend zu genießen. Dann tauchen Sie und Ihr Kollege vom FBI bei mir auf, und plötzlich ist alles wie früher. Ach, was rede ich denn da? Es ist viel besser als damals.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen …«
    »Ich fürchte, das wird sich schneller ändern, als Ihnen lieb sein dürfte, meine Gute.« Carnahan schaltete die Schleifmaschine aus, die er mit seinem Körper verdeckt hatte. »Sie hätten besser daran getan, nicht nach Chappaquiddick zu kommen. Das hätte den braven Einwohnern eine Menge erspart.«
    Decker machte aus ihrer Verwirrung kein Hehl. »Wovon reden Sie?«
    »Davon, dass Ihr Kollege vorhin den Falschen eingebuchtet hat.« Bedächtig drehte Carnahan sich zu der Agentin um.
    Deren Aufmerksamkeit wurde auf den Gegenstand gelenkt, den Carnahan in Händen hielt: Ein Hackbeil, zusammengesetzt aus einem groben Holzstück als Griff und einer Klinge, die aus einem scharf geschliffenen Stück Metallschrott bestand.

14
    »Sie sind der Dünenmörder.« Decker schnappte entsetzt nach Luft.
    »Gut kombiniert, Miss Holmes.« Trotz der Sanftheit in seinem Tonfall schwang etwas Bedrohliches darin mit. »Sie haben mich entlarvt. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass ich die Situation immer noch im Griff habe.«
    »Damit kommen Sie nicht durch.« Einem Impuls folgend, griff Decker unter ihre linke Achsel, wo sie gewöhnlich ihre Waffe im Halfter trug. Doch Carnahan hatte ihr die Pistole weggenommen, während sie schlief.
    Nun prüft er mit dem Daumen die Schärfe seiner Klinge und lächelte süffisant. »Falls Sie mit dem Gedanken spielen, mich anzugreifen, vergessen Sie nicht, in welch jämmerlicher Verfassung Sie sind.«
    Wie zur Bestätigung erfasste Decker ein Schwindelanfall. Sie konnte ihrem Gegner nicht viel entgegensetzen. Sie konnte allenfalls Zeit schinden. Sie musste den Killer in ein Gespräch verwickeln.
    Sie schaffte es kaum, ihre zittrige Stimme zu kontrollieren. »Wie sind Sie auf die Idee zu diesen abstrusen Morden gekommen? War es die Lust am Töten?«
    »Für was halten Sie mich? Für ein blutrünstiges Tier?«
    »Ich weiß nicht, wofür ich Sie halten soll. Was war ihr Motiv?«
    Carnahans Stimme war ganz sachlich. »Sehen Sie, ich habe jahrelang erfolgreich Verbrecher überführt. Ich kannte jeden Kniff, mit dem man ein Verbrechen nachweisen kann. Irgendwann habe ich mich dann gefragt, ob ich dieses Wissen nicht in umgekehrter Richtung nutzen könnte, um so etwas wie ein perfektes Verbrechen zu begehen. Es war die reine Neugierde, weshalb ich mich auf dieses interessante Experiment eingelassen und eine x-beliebige alleinstehende Frau ermordet habe. Ihre Leiche schaffte ich dann im Kofferraum meines Wagens nach Chappaquiddick.«
    »Und die Tatwaffe ließen Sie am Ort ihres Verschwindens zurück. Weshalb?«
    »Ach, das ist nur so ein kleines Ego-Ding. Nachdem ich zwei oder drei Jahre lang eine ganze Reihe Frauen ins Jenseits befördert hatte, war die Bostoner Polizei in keinem dieser Fälle der Aufklärung auch nur einen Schritt nähergekommen. Also legte ich die Messlatte höher, indem ich mir einen fähigeren Gegner suchte als mein eigenes Morddezernat: das FBI. Damit die Bundesbehörde aktiv werden konnte, musste ich die Ermittler davon überzeugen, dass der Täter ein Serienmörder ist. Aus diesem Grund ließ ich von da ab an jedem Tatort die Mordwaffe zurück.«
    »Und warum nicht auch die Leiche?«
    »Ganz so einfach wollte ich es den Ermittlern dann doch nicht machen.«
    »Wieso haben Sie Ihre Opfer nicht irgendwo auf dem Festland vergraben?«
    »Weil ich eines Tages hierher auf diese schöne Insel ziehen wollte. Als Schüler verbrachte ich oft die Ferien auf Chappaquiddick. Damals ist mir dieses idyllische Eiland ans Herz gewachsen. Ich dachte, es wäre vielleicht ganz amüsant, später als Pensionär immer mal wieder zu den Gräbern zu spazieren, von denen außer mir niemand etwas wusste, und dabei in Erinnerungen zu schwelgen.«
    »Als Leiter der Forensik konnten Sie die Tatorte so manipulieren, dass selbst das FBI keinen Hinweis fand, der den Verdacht auf Sie lenkte.«
    »Richtig. Nachdem mein erster Mord in jeder Hinsicht perfekt geklappt hatte, fuhr ich mit meinen Experimenten fort. Immer mit demselben Ergebnis: Meine Verbrechen blieben ungelöst
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