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Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee
Autoren: Peter Mennigen
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Fahrzeug halb um die eigene Achse, bevor es in eine Böschung rutschte. Innerhalb weniger Tage machte Cotton zum zweiten Mal Bekanntschaft mit einem Straßengraben von Chappaquiddick. Diesmal ging der Aufprall glimpflicher ab. Trotzdem steckte der Impala hoffnungslos in einem Schneewall fest.
    Cotton stieß die Fahrertür auf, sprang hinaus und rannte zu Fuß weiter. Bis zu Carnahans Strandhaus war es noch gut eine Meile.
*
    Zur selben Zeit erwachte Decker aus dem Schlaf, in den sie gefallen war. Ein grauenhaftes Geräusch hatte sie geweckt. Sie lauschte wie erstarrt. Was war das für ein Kreischen gewesen? Es hatte gequält geklungen, beinahe wie der Schrei eines gepeinigten Wesens. Nicht eindeutig menschlich zwar, aber nicht minder beunruhigend.
    Sie richtete sich auf und zuckte vor Schmerz zusammen. In einem Reflex griff sie sich an den Kopf und spürte den Verband. In Etappen kam die Erinnerung zurück. Die Fischfabrik. Dodsons Verhaftung. Ihre Verwundung, die für den bohrenden Schmerz und die Übelkeit verantwortlich war. Sobald sie die Augen schloss, schwankte unter ihr alles, als säße sie auf den Planken eines schlingernden Schiffes.
    Erneut wurde die Stille von dem Kreischen zerrissen. Diesmal kam es in kurzen, abrupten Intervallen. Dann trat wieder Ruhe ein.
    Vorsichtig kletterte Decker aus dem Bett. Kaum berührten ihre Füße den Boden, wurde ihr erneut schwindlig. Ein scharfer Stich fuhr ihr durch den Schädel. Sie biss die Zähne zusammen, schlüpfte in ihre Schuhe und stellte sich auf. Schritt für Schritt kämpfte sie sich zur Tür.
    »Spencer.« Ihr Ruf klang mehr wie ein Flüstern.
    Sie trat aus dem Zimmer und wankte zur Treppe. Mit beiden Händen das Geländer umklammernd, begann sie den Abstieg. Die Stufen knarrten leise unter ihrem Gewicht. Im Eingangsbereich unten angekommen, bemerkte sie, dass die Tür zum Keller einen Spalt weit offen stand.
    Erneut durchflutete sie eine Woge der Übelkeit, die ihr die Luft aus der Lunge presste. Doch davon ließ sich ihre aus unerfindlichen Gründen erwachte Neugierde nicht bezähmen. Vorsichtig näherte sie sich der Kellertür, wobei sie eine irrationale Vorahnung von etwas Schlimmem beschlich.
    Eine Stille wie in einem Mausoleum lag über dem Haus, die urplötzlich wieder von dem metallischen Kreischen zerrissen wurde. Das Geräusch kam eindeutig aus dem Untergeschoss.
    Decker verharrte an der offenen Tür und überlegte, was die Ursache des Lärms sein könnte. Sollte sie umkehren, zurück ins Bett? Alles in ihr drängte sie danach. Andererseits war sie schon so weit gegangen, da erschien es ihr dumm, jetzt kehrtzumachen. Also stieg sie langsam die Stufen in den Keller hinunter. Aus irgendeinem Grund war es ihr plötzlich wichtig, nachzusehen, was da unten vor sich ging.
    Auf dem Weg in die Tiefe beschlich sie ein Gefühl, als stiege sie in eine Gruft. Bei jedem Schritt geriet sie ins Schwanken, sodass sie sich am Geländer abstützen musste, das sich kalt und rau anfühlte.
    Am unteren Treppenabsatz blieb sie kurz stehen und lauschte in die gespenstische Stille. Vor ihr führte ein enger, stickiger Flur durch vollkommene Lichtlosigkeit. Nur am gegenüberliegenden Ende des Korridors sickerte etwas Licht durch eine handbreitgroße Öffnung.
    Wieder ertönte das Kreischen, lauter und enervierender als zuvor. Das Geräusch kam aus dem schwach erleuchteten Raum am Flurende. Wachsam näherte sich Decker der Tür, die aus grau lackiertem Metall bestand. Obwohl sie möglichst leise auftrat, hallten ihre Schritte hohl von den kahlen Wänden wider. An der Metalltür angelangt, legte sie eine Hand auf deren kalte Oberfläche und drückte sie auf. Dahinter fand sie sich in einem nicht sehr großen Arbeitsraum wieder. An den Wänden waren Regale voller Werkzeuge und Ablagefächer aufgereiht.
    Carnahan stand mit dem Rücken zu Decker vor einer Werkbank. Darüber hing eine nackte Glühbirne von der Decke. Der alte Mann murmelte leise vor sich hin, während er sich über einen Gegenstand beugte, der dieses Kreischen verursachte. Dazu sprühte ein Funkenregen durch die Luft.
    »Spencer«, brachte Decker mühsam hervor. »Was tun Sie da?«
    Sie musste sich mit der Hand am Türrahmen festhalten, weil die Welt sich wieder wie ein Karussell um sie herum zu drehen begann.
    »Oh, Special Agent Philippa«, antwortete der Angesprochene, ohne sich nach ihr umzudrehen. »Haben Sie etwas auf dem Herzen, weshalb Sie sich in meinen Keller bemühen?«
    »Was tun Sie da?«,
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