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Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee
Autoren: Peter Mennigen
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leben die auch vom Tourismus, trotzdem mögen sie Fremde nicht besonders. Trauen ihnen nicht so recht über den Weg.«
    Von Stamford aus folgten die Agents der Interstate 395 einer Küstenlinie entlang. Vorbei ging es an Bridgeport mit den für New England typisch weiß gestrichenen Kirchen und schmucken Häusern wie auf Weihnachtskeksdosen. Bei New Haven bogen sie auf die Interstate 95 Richtung Providence ab. Nach knapp drei Stunden Fahrt erreichten sie den Hafen von Rhode Island. Von dort setzte mehrmals täglich eine große Fähre nach Martha’s Vineyard über. Sie parkten ihr Fahrzeug auf dem Autodeck im Schiffsbauch. Zehn Minuten später fuhr die Fähre ihre Heckklappe hoch und legte ab.
    Obwohl es bitterkalt war, verbrachte Cotton die Überfahrt auf dem Oberdeck. Die frische Seeluft tat ihm gut, machte den benebelten Kopf wieder frei. Er verharrte an der Reling, den Blick auf die grauen Wellen des Atlantiks gerichtet.
    »Gegen einen heißen Grog hätte ich jetzt nichts einzuwenden«, sagte plötzlich eine Frauenstimme neben ihm.
    Cotton drehte den Kopf und sah Decker, die sich einen Mantel übergezogen hatte. Mit den Unterarmen auf die Reling gestützt, ließ sie ihren Blick über die raue See schweifen.
    »Sagten Sie nicht, wir führen auf eine Ferieninsel?«, erkundigte sich Cotton. »Wie es aussieht, sind wir fast die einzigen Passagiere an Bord.«
    »Seien Sie froh, dass die Hauptsaison vorbei ist. Sie sollten mal erleben, was auf Martha’s Vineyard im Sommer los ist.«
    »Wie haben die Bewohner von Chappaquiddick eigentlich auf die grausigen Funde reagiert?«
    »Gar nicht, denn sie wissen von nichts. Die örtliche Polizei hält den Fall unter Verschluss, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Offiziell sucht man in dem betreffenden Küstenabschnitt nach Giftfässern von einem Tanker, die dort angeschwemmt sein sollen. Die Falschmeldung soll allzu Neugierige von dem Strand mit dem Massengrab fernhalten.«
    Während der restlichen Fahrt sprachen die Agents nur noch wenig. Je näher sie Martha’s Vineyard kamen, desto verschlossener wirkte Decker, als hinge sie in Gedanken irgendwelchen dunklen Ereignissen aus ihrer Vergangenheit nach.

2
    Von Vineyard Haven aus, der Anlegestelle auf Martha’s Vineyard, fuhren Cotton und Decker an Edgartown vorbei. Dort, in der größten Stadt der Insel, hatte ihnen das FBI zwei Zimmer gebucht. Doch bevor sie ihr Hotel aufsuchten, wollten sich die Agents erst einen Eindruck vom Fundort der Leichen verschaffen.
    Auf Chappaquiddick erreichten sie ihr Ziel über einen gewundenen, holprigen Pfad, der direkt am Meer entlangführte, vorbei an noblen Strandhäusern, bis sie an einen unbewohnten Küstenabschnitt gelangten. Der Strand fiel flach zum Wasser hin ab, während sich zur Landseite sanft geschwungene Dünen erstreckten.
    Als die Ausgrabungsstelle hinter gelben Absperrbändern in Sicht kam, drosselte Decker das Tempo und hielt schließlich an. Cotton stieg aus und ließ den Blick über die Dünen wandern. Alle paar Schritte ragten Sandhaufen neben ausgehobenen Löchern auf. Auf einigen hockten Möwen. Die Vögel guckten zu, wie zwei junge Männer in Overalls über ihren Polizeiuniformen mit Spaten Löcher aushoben.
    County Sheriff Edmund J. Pearce beaufsichtigte die Arbeit seiner beiden Deputys. Er war ein großer, übergewichtiger Mann Ende vierzig, dem der Bierbauch wie ein halb leerer Weinschlauch über dem Gürtel hing. Grimmig musterte er die Ankömmlinge.
    Decker marschierte zielstrebig auf ihn zu.
    »He, bleiben Sie gefälligst hinter der Absperrung«, brüllte Pearce ihr verärgert entgegen. »Dieser Küstenabschnitt ist gesperrt. Das gilt auch für Journalisten.«
    »Wir sind keine Journalisten«, erwiderte Decker und zückte ihren FBI-Ausweis. »Ich bin Special Agent Philippa Decker, und das ist mein Kollege, Special Agent Jeremiah Cotton.«
    »FBI?« Pearce betrachtete den Ausweis missmutig. »Was wollen Sie denn hier?«
    »Unsere Arbeit tun. Falls Sie nicht informiert sein sollten: Die Behörden von Martha’s Vineyard haben unsere Hilfe aus New York angefordert. Wir übernehmen ab hier.«
    Der Sheriff baute sich mit vor Zorn gerötetem Gesicht vor ihr auf. »Ach ja? Schieben Sie lieber Ihren hübschen Hintern nach New York zurück. Meine Jungs und ich wissen, wie wir unseren Job machen müssen.«
    »Ach wirklich? Wieso kann ich dann nirgendwo einen Gerichtsmediziner sehen, der die Ausgrabungen der Leichen überwacht und Spuren sichert?«
    »Was denn für
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