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Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee
Autoren: Peter Mennigen
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spätestens einem Monat soll der Ausschlag verschwunden sein. Das heißt, wenn ich bis dahin den Strand meide.«
    »Welchen Strand?«
    »Na, den gesperrten Abschnitt, wo wir die Leichen ausgegraben haben.« Er leerte das Glas in einem Schluck und stellte es wieder ab. »Alle, die dort die Leichen ausgegraben haben, hat es erwischt.«
    »Das ist doch schon einige Tage her.«
    »Ja, aber wegen der Inkubationszeit ist der Ausschlag erst jetzt zu sehen. Und das alles wegen dem Mistkerl, den Sie da angeschleppt haben. Konnte der die Toten nicht an einem Strand vergraben, der nicht kontaminiert ist?«
    »Was genau hat den Strand denn verseucht?«
    »Vor etwas über dreißig Jahren sollen da ein paar undichte Fässer mit chemischen Abfällen angespült worden sein, darunter eines mit Dioxin. Das kam damals allerdings erst raus, als die Anwohner mit der Zeit erkrankten. Irgendwelche Experten stellten dann fest, dass der Strand extrem verseucht war. Die Anwohner mussten umgesiedelt und ihre Häuser abgerissen werden. Seitdem ist der Küstenabschnitt gesperrt.«
    »Trotzdem haben Sie und der Sheriff die Leichen dort ohne Schutzkleidung ausgegraben?«
    »Wir dachten, das Gift wäre nach all den Jahrzehnten verflogen. Ein Irrtum, wie Sie sehen.«
    In Cotton überschlugen sich plötzlich die Gedanken. »Wenn jeder, der sich länger als ein paar Stunden oder einen Tag an dem verseuchten Strand aufhält, einen Ausschlag bekommt, was sagt das über den Serienmörder aus, der sich dort wiederholt aufgehalten haben muss?«
    »Dass er ausgesehen haben muss wie eine gesprenkelte Tomate«, antwortete der Deputy.
    »Und sehen Sie bei Dodson das Anzeichen eines Ausschlags?«
    »Nein.«
    »Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sein Vater jemanden mit einer Hautkrankheit in seiner Metzgerei arbeiten ließe«, sagte Cotton. »Schon aus Angst vor einer Kontrolle des Gesundheitsamts, das ihm den Laden dichtmachen könnte.«
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Jeder, der auf Chappaquiddick aufgewachsen ist, weiß, dass der Strand verseucht wurde. Deshalb meidet ihn auch jeder, es sei denn, er wird dorthin abkommandiert, so wie ich.«
    »Oder wenn er nichts von der Verseuchung gewusst hat, weil er nicht hier aufgewachsen ist, so wie der Mörder vielleicht«, schlussfolgerte Cotton. »Für ihn war die Stelle ideal zum Vergraben der Leichen, weil so gut wie nie jemand dorthin ging. Aus welchem Grund der Strandabschnitt gesperrt war, wusste er nicht, und es hat ihn auch nicht weiter interessiert.«
    »Moment mal, bloß weil Dodson nie dort war, ist das noch lange kein Beweis, dass er Amy nicht ermordet hat.«
    »Das ist richtig. Im Moment rede ich auch vom Mörder jener Frauen, deren Gebeine am Strand gefunden wurden. Und davon, dass ich jemanden kenne, der seit Jahren heftig unter Ekzemen leidet. Mich interessiert im Moment nichts brennender als die Antwort auf die Frage, woher der Betreffende diesen Ausschlag hat. Vielen Dank für das Gespräch, Deputy. Es könnte sich noch als sehr aufschlussreich erweisen, was die Serienmorde angeht.«
    Cotton ließ den verblüfften Polizisten zurück, eilte zu seinem Wagen und jagte los.
    Bedell hatte mit seinem Täterprofil goldrichtig gelegen. Cotton ärgerte sich, dass er nicht früher daran gedacht hatte: Bei den Fällen der verschwundenen Frauen aus Massachusetts musste ein Ermittler involviert gewesen sein. Der Serienmörder war sich seiner Sache so sicher gewesen wie jemand, der mit der Aufklärung der Fälle befasst gewesen war. Die Vorstellung, dass Philippa Decker diesem Mörder jetzt gerade ahnungslos ausgeliefert war, quälte Cotton so sehr, dass er an nichts anderes denken konnte. Dabei erforderten die verschneiten Straßen eigentlich seine volle Aufmerksamkeit.
    Hinter der Stadtgrenze ging es mit Höchstgeschwindigkeit über die Landstraße weiter. Der Impala geriet ins Schleudern, als Cotton auf einen Waldweg abbog, der zum Meer führte. In waghalsigem Tempo hüpfte der Impala mit schlingerndem Heck über den unebenen Untergrund. Bei jedem Schlagloch drohte das Fahrzeug auszubrechen. Cotton versuchte es auf Kurs zu halten, doch die Kurven wurden enger, der Weg schmaler und unübersichtlicher. Äste von schneebedeckten Bäumen ragten bisweilen so tief herunter, dass sie die Sicht auf die nächste Biegung versperrten. Ohne Vorwahrung gerieten die Reifen plötzlich auf eine unter dem Schnee verborgene Eisfläche und verloren jegliche Bodenhaftung. Außer Kontrolle geraten, schlitterte das
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