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Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um

Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um

Titel: Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um
Autoren: Tanya Stewner
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Schulanfang
    Lilli stand vor dem Spiegel und versuchte, ihre widerspenstigen rostroten Locken glattzukämmen. An diesem Morgen erinnerte ihr Haar wieder einmal an einen wild gewordenen Wischmopp. Und das, obwohl heute nach sechs Wochen Sommerferien die Schule wieder anfing und Lilli zur Abwechslung gern einmal hübsch ausgesehen hätte.
    »Wohin gehen wir denn?«, bellte Lillis kleiner weißer Hund Bonsai und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz.
    Lilli zupfte an einer besonders aufmüpfigen Strähne herum. »Ich gehe in die Schule«, erwiderte sie.
    »Ohne mich?« Bonsai ließ die zotteligen Ohren hängen.
    »Ja, tut mir leid.« Lilli blickte ihren Hund, der seit mehr als drei Jahren ihr treuer Begleiter war, entschuldigend an. Dass sie ihn verstehen konnte, war für sie das Selbstverständlichste von der Welt. Denn Lilli hatte eine besondere Gabe: Sie konnte mit Tieren sprechen.
    »Das Frühstück ist fertig!«, drang die Stimme von Lillis Vater herauf, und Lilli machte sich auf den Weg nach unten in die Küche. Dort war ihr Vater gerade damit beschäftigt, Brötchen aus dem Ofen zu holen. »Hallo Schatz!«, rief er. Ihre Mutter saß versteckt hinter der Zeitung und grummelte: »Morgen.« Lillis Oma, die ebenfalls bei ihnen lebte, gab ihrer Enkelin einen Begrüßungskuss auf die Nasenspitze. Lillis Vater stellte währenddessen eine Vase mit roten Dahlien, die er offenbar gerade im Garten gepflückt hatte, auf den Tisch. »Die Blumen lassen allesamt die Köpfe hängen«, stellte er besorgt fest. »Der Sommer war einfach zu heiß und es hat zu wenig geregnet. Die Natur und alle Pflanzen haben enorm darunter gelitten.«
    Lilli setzte sich an den Tisch und legte die Hände um die Stängel, um den halbvertrockneten Blumen ein bisschen zu helfen. Die Dahlien waren allerdings ein schwerer Fall – ihre Köpfe hingen weiterhin traurig nach unten.
    Ihr Vater beobachtete Lilli, seufzte und wechselte das Thema. »Ist Jesahja auch aufgestanden?«
    Noch bevor Lilli antworten konnte, kam Jesahja schon hereinspaziert. Er war frisch geduscht und sah wie immer umwerfend aus. Sein dunkles Haar glänzte, da es noch feucht war, und seine schönen braunen Augen blitzten Lilli an. Lilli grinste und verspürte einen gewissen Stolz darauf, dass der hübscheste Junge der Schule ihr bester Freund war. Jesahja wohnte zurzeit sogar bei ihnen! Er war vorübergehend in das Zimmer neben Lillis eingezogen, da seine Eltern sich auf Geschäftsreise in China befanden.
    Jesahja begrüßte nun alle und wollte sich gerade an den Frühstückstisch setzen, da sprang eine orange getigerte Katze auf seinen Stuhl. Mit miesepetrigem Gesicht blickte sie Jesahja an und maunzte: »Sie möchten doch wohl nicht etwa Ihre morgendliche Nahrungsaufnahme beginnen, ohne sich zuvor um meine Beköstigung gekümmert zu haben?« Gereizt schlug ihr Schwanz auf den Stuhl. »Ist es denn so schwierig, sich einzuprägen, an wen stets zuerst gedacht werden sollte?«
    Die Katze gehörte Jesahja und wohnte momentan ebenfalls bei den Susewinds. Obwohl sie sich prächtig mit Bonsai verstand, war es manchmal gar nicht so leicht, die kleine Lady im Haus zu haben. Denn diese Katze war etwas ganz Besonderes. Sie betrachtete sich selbst als die »Crème de la crème der Schnurrherrschaften von Welt«, und deshalb trug sie den vornehmen Namen Frau von Schmidt .
    Lilli übersetzte Jesahja nun, was die Katze verlangte, denn er verstand das Tier natürlich nicht. Er hatte lediglich ein Maunzen gehört. Jesahja kannte Frau von Schmidt aber so gut, dass er ahnte, worüber sie sich beschwerte. Bevor Lilli zu Ende übersetzt hatte, holte er schon eine Dose Katzenfutter aus dem Schrank. Frau von Schmidt sprang leichtfüßig vom Stuhl, strich um seine Beine und beobachtete, was er tat. »Nein, nicht diese Dose!«, zeterte sie gleich darauf. »Danach ist mir heute gar nicht. Mir wäre eher nach Mäusebraten.«
    »Was hat sie zu meckern?« Jesahja schaute Lilli fragend an. »Will sie etwa schon wieder Mäusebraten?«
    Lilli nickte und konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. Frau von Schmidt hatte diesen Wunsch schon öfter geäußert. Aber da es kein Katzenfutter mit Mäusefleisch gab, hatte die getigerte Dame ihren Willen ausnahmsweise nicht durchsetzen können. Vor ein paar Tagen war Lillis Vater jedoch auf die Idee gekommen, der Katze einfach einmal Bonsais Hundefutter anzubieten. Dies hatten sie getan, und Frau von Schmidt war von der Mahlzeit, die sie für Mäusebraten hielt,
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