Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb
Autoren: Patrícia Melo
Vom Netzwerk:
bring mir meinen Sohn wieder.
    Die Tür war geschlossen, aber auch so konnte man die Wölfin heulen hören. Sie sind alle gleich, die Wölfinnen. Das gleiche Geheul. Es schneidet einem wie ein Messer in die Eingeweide.
    Wenig später kam der Mann vom Foto in das Büro, mit denselben Stiefeln wie auf dem Bild. Er wirkte durcheinander. Sagte, wir hätten ja schon miteinander telefoniert. Gestern, sagte er.
    Ich erklärte und sagte, nein, das muss ein anderer Chauffeur gewesen sein. Aber er hörte mir nicht zu. Hatte es eilig. Ich habe schon Informationen über Sie eingeholt, sie sind hervorragend.
    Ich war dort, um zu erzählen, wie sich der Unfall zugetragen hatte. Dazu war ich schließlich in das Haus gekommen. Um über die Explosion und den Absturz zu reden. Um den enttäuschten Hund zu töten. Ich kann Sie zu der Stelle führen, wollte ich sagen. Mitleid mit jemandem zu empfinden, ist etwas Beschissenes. Da stand ich nun, den Finger am Abzug, und nahm den Job an und vereinbarte ein gutes Gehalt.
    Wann können Sie anfangen, fragte er.
    Morgen.
    Beim Gehen dachte ich, dass ich jederzeit anrufen und eine Entschuldigung erfinden könnte. Oder einfach nicht kommen. Von der Bildfläche verschwinden.
    Genau deswegen versaut man sich sein Leben. Man glaubt immer, dass man rechtzeitig aussteigen kann.
8
    Rrrrck, rasselte die Kette. Von dem Schmieröl wurde Moacir noch schwärzer. Der Lärm ging mir auf die Nerven. Auf dem Gehweg hockend versuchte der Indio, die Kette vom Fahrrad des Jungen zu reparieren, der betrunken neben ihm mit den Hunden aus der Nachbarschaft spielte. Mitgenommene, schmuddelige, zum Erbarmen hässliche Tiere. Hunde und Menschen. Eine dreckige Brut. Bellte. Pinkelte gegen die Masten. Rrrrck. Eine Sonne zum Umkommen.
    Während Moacir das Pedal bewegte und die Kette sich holpernd bewegte, lockerte sich die Vorderachse des Rades. Verdammt, sagte der Betrunkene und brach in Gelächter aus. Besser alles auf den Schrott werfen, dachte ich.
    Ich schloss das Fenster und legte mich aufs Bett. Las erneut den Zettel, den Rita am Morgen bei Serafina hinterlassen hatte. Rrrrck. Rrrrck. Danke, dass du einfach aufgelegt hast. Ich habe heute Geburtstag. Du, du ganz allein, bist zu meiner Party eingeladen. Um neun Uhr. Unterschrift Rita.
    Ich machte mir eine Dose Bier auf und überlegte, rrrck, was ich tun sollte.
    Eine Abkühlung im eiskalten Wasser der Grotte täte gut, aber ich fühlte mich zu schwer, um mich im Wasser treiben zu lassen. Eine Affenhitze. Mehrmals überlegte ich, die Familie des Piloten anzurufen und auszusteigen. Das Problem war, dass in meinen Plänen eine Rückkehr nach São Paulo nicht vorgesehen war. Auch nicht ins Kaufmännische. Ich war schonin der Sonne von Corumbá herumgewandert, die Stellenanzeigen unterm Arm, in der Absicht, eine ähnliche Arbeit wie Carlão zu finden, bei der ich alles Mögliche machte, von der Bedienung einer Tankstelle über die lokale Versorgung mit Reifen und Gummiwaren, und wo mir noch genug Zeit bliebe, um im Schatten zu sitzen und meinen Gedanken nachzuhängen. Aber alles, was ich gefunden hatte, waren Konditoreien und Läden für Hydraulikpumpen in Hinterhöfen. Und anderen Mistkram. Alles zu heiß. Nichts für mich. Die Arbeit im Haus des Fazendeiros aber war gut. Wenigstens würde ich eine Klimaanlage haben, das zählte eine Menge in Corumbá. Wir haben eine Klimaanlage, schrieben die Händler auf verzierten Schildern, um die Kunden anzulocken. Die Glücksformel in der Gegend lautete zehn Grad weniger. Und genau das boten sie mir: einen ordentlichen Wagen mit Klimaanlage, den ich kutschieren sollte. Außerdem, was machte es schon, dass es das Zuhause des Piloten war, den ich hatte sterben sehen? Was machte es, dass ich die Leiche im Fluss zurückgelassen hatte? Ich hatte niemanden umgebracht, Over. Selbst wenn ich den Jungen aus dem Flugzeug geholt und auf den Schultern in die Stadt geschleppt hätte, es hätte nichts geändert. Er wäre genauso tot. Wir alle werden eines Tages sterben. Was machte es, dass ich das Kokain geklaut hatte? Der werfe den ersten Stein, Over. Wir alle klauen irgendwann mal irgendwas. Fast alle. Mindestens einmal. Oder werden es tun. Brasilien ist voller Schurken, so sieht es aus.
    Am Nachmittag war ich ruhiger, duschte kalt, holte die Drogen heraus und machte mich an die Arbeit. Mein Entschluss stand fest: Ich würde den Schnee weiterverkaufen, etwas Geld machen, und Schwamm drüber. Einzelverkauf und eine einmaligeAngelegenheit. Um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher