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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb
Autoren: Patrícia Melo
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kein Risiko einzugehen, denn so versauen sich die Leute alles. Aus dem Provisorium wird eine feste Einrichtung. Man fängt an, Geld zu verdienen, und dann fühlt sich irgendwer auf den Schlips getreten. Irgendwer, dem man etwas schuldet oder der einem etwas schuldet. Oder einfach ein Neider. Ein klatschsüchtiger Nachbar. Ein unerwarteter Feind. Einer von denen, die aus dem Nichts auftauchen, ohne dass man es überhaupt bemerkt. Einer, den man nicht rücksichtsvoll behandelt hat. Und der ruft dann bei der Polizei an und verpfeift einen. Sulamita hatte das auch gesagt: Verhaftungen haben nicht viel mit der Kompetenz der Ermittler zu tun. Eigentlich gar nichts. Es sind allein die Denunzianten, sagte sie. Anzeigen unter der Nummer 0800. Die Leute rufen an und geben Namen und Anschrift der Dealer durch. Die gesamten Daten. Im Drogenhandel gibt es nur eine hundertprozentige Garantie: Irgendwer wird einen in die Pfanne hauen. Man steht in der Schlange und wartet. Es ist wie beim Motorrad. Wenn man eins besitzt, kann man sicher sein, dass man irgendwann einen Unfall haben wird. Möglich, dass man nicht stirbt, aber man wird stürzen. So läuft es. Also, dachte ich, bloß nicht überschwänglich werden bei leicht verdientem Geld. Bloß keinen weiteren Schnee kaufen. Das Päckchen war lediglich eine Zugabe, mehr nicht. Ein Geschenk des Toten. Das war das Schwierigste dabei, zu denken, dass mein Glück, das Gute, das mir in dem Moment widerfuhr, die Drogen und der Job, mit dem Verstorbenen zusammenhingen. Zufall? Ein Zeichen? Was auch immer, eine unverzeihliche Sünde wäre es, eine Gelegenheit nicht beim Schopf zu ergreifen, das hatte ich in meinem Leben als Verkäufer gelernt.
    Den Stoff zu wiegen und zu verpacken half mir, meine Gedankenzu ordnen. In jedes Briefchen füllte ich ein Gramm und versiegelte es mit einem roten Stern. Ich hatte das in einem Film gesehen, und es schien mir eine effiziente Methode zu sein. Meine Kunden würden bei diesem Stern sofort an einen Stoff ohne beigemischten Glas- oder Marmorstaub, ohne Talkum oder Amphetamine denken. Ich würde ihn billig verkaufen. Das ist die Geschäftsphilosophie, besser und billiger.
    Als der Indio mit dem Krach aufhörte, öffnete ich wieder das Fenster. An der Ecke kam der Messerschleifer mit seinem alten Fahrrad voller Krimskrams an. Drei Hausfrauen mit bunten Sonnenschirmen in der Hand umringten ihn. Der Schleifstein sprühte Funken, zusammen mit einem Surren, das in meinen Kopf drang wie Nadeln. Oder wie Bienen.
    Etwas später kamen in Trauben die Kinder aus der Schule zurück. Moacir schloss seine Fahrradwerkstatt ab. Die Männer machten auf dem Heimweg in der Kneipe an der Ecke halt. Kurz darauf war die Straße voller Jungs, die johlend in Horden herumrannten und Fußball spielten.
    Ich rauchte eine Zigarette und schaute zu, wie die Sonne hinter den Häusern unterging. Die Hitze wurde allmählich erträglicher.
    Um viertel vor acht tauchte Moacir unten vor dem Haus auf und fragte, ob er mit mir sprechen könne. Ich bedeutete ihm hochzukommen.
    Er hatte zwar geduscht, aber das Schmieröl klebte immer noch an ihm. Sein Schweiß war dunkel, ölig. Sein Stirnhaar glänzte. Streichholzbeine, hängende Schultern, er sah nicht aus wie der Sohn eines Kaziken und wäre ganz schön aufgeschmissen gewesen, wenn er wie seine Vorfahren auf die Jaguarjagdhätte gehen müssen. Wahrscheinlich konnte er noch nicht mal Cururu zum Klang der Cocho-Gitarre tanzen, lauter Dinge, die Serafina mir mit Begeisterung in allen Einzelheiten schilderte. Jetzt hockte er sonntags vor dem Fernseher, passte auf die Kinder auf und wartete darauf, dass seine Frau vom evangelischen Gottesdienst zurückkehrte. Im Viertel hieß es, sie treffe sich mit Alceu, dem Schlachter. Wo sonst sollte sie Fleisch herbekommen, ohne Geld? fragte Serafina.
    Moacir druckste ein wenig herum und wollte wissen, ob ich ihm die Miete vorschießen könne. Sprach von Medikamenten. Das wahre Verderben der Armen ist die Apotheke.
    Ich nahm einen Teil des Geldes, das mir das Versetzen der Uhr eingebracht hatte und klärte die Angelegenheit für den nächsten Monat. Stellte ein paar Fragen und überlegte, ohne hinzuhören, was er antwortete, ob Moacir nicht der wäre, den ich suchte, eine Art Kurier, der meine heimlichen Geschäfte abwickelte. Er wohnte schon lange in dem Viertel. Kannte alle. So hätte ich die Lage unter Kontrolle.
    Ich fragte ihn, ob er einen Extrajob wolle. Leicht verdientes Geld.
    Nur, wenn es wirklich
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