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Zwischen Ehre und Verlangen

Zwischen Ehre und Verlangen

Titel: Zwischen Ehre und Verlangen
Autoren: Louise Allen
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1. KAPITEL
    O hne die Lider zu öffnen, wurde Amanda Clare sich zwischen Wachen und Träumen bewusst, dass es im Raum noch dunkel war. Daher sah sie keinen Anlass, das Bett zu verlassen, kuschelte sich, während sie jemanden neben sich ruhig und gleichmäßig atmen hörte, gemütlich unter das Plumeau und versuchte, wieder zu schlafen.
    Plötzlich glaubte sie in den Armen eines Mannes, dessen Gesicht sie nicht erkennen konnte, zu liegen. Nur halbherzig wehrte sie seine Liebkosungen ab.
    Nach einer Weile vernahm sie ein Klirren und fragte sich, wie viel Zeit inzwischen verstrichen sein mochte. Sie hörte jemanden am Kamin hantieren, einen Hahn krähen und irgendwo im Haus eine Tür zufallen. Sie furchte leicht die Stirn und drehte sich auf die Seite. Die Hand ausstreckend, stieß sie gegen die neben ihr ruhende Gestalt, rückte näher an sie heran und seufzte wohlig, als der Mann den Arm um sie legte und sie an sich zog.
    Unvermittelt berührte sie mit den Zehenspitzen das Fußende des Bettes, das ihr eigenartig unvertraut vorkam, und merkte jäh, dass sie sich nicht bei sich zu Haus befand. Auch die zu ihr dringenden Laute entsprachen nicht gewohnten Geräuschen; das in den Raum dringende Licht fiel von der falschen Seite her ein, und keiner ihrer Dienstboten würde am frühen Morgen laut singen.
    Verwirrt schlug sie langsam die Augen auf, starrte entsetzt auf den Mann neben sich und konnte sich nicht erklären, wie es möglich war, dass sie, die seit zwei Jahren Witwe war und ein untadeliges Leben geführt hatte, mit einem Fremden im Bett lag. Er schaute sie belustigt an, beugte sich über sie und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Ihr stockte der Atem, und erschrocken spürte sie das Herz schneller klopfen.
    Verstört zuckte sie zurück, wich weit von ihm ab, die Bettdecke umklammernd, und verlor unversehens den Halt. Im nächsten Moment fand sie sich auf dem Fußboden wieder, richtete sich hastig auf den Knien auf und blickte furchtsam zwischen dem Unbekannten und der Zimmertür hin und her, bereit, sofort die Flucht anzutreten, falls er Anstalten machen sollte, sich ihr erneut zu nähern.
    Verhalten fluchend setzte er sich auf, und im fahlen Morgenlicht sah sie, dass er dunkelbraunes, fast schwarzes Haar und grüne Augen hatte. Seine rechte Gesichtshälfte war blau-grün verfärbt und zerschrammt, und ächzend legte er die linke Hand um den rechten Arm. Sie erwog, sich zu erheben, beschloss dann jedoch, aus Sicherheitsgründen zu bleiben, wo sie war. Fassungslos fragte sie: “Wer sind Sie, und wieso befinden Sie sich in meinem Bett?”
    “Dieselbe Frage könnte ich Ihnen stellen”, antwortete Jared trocken. “Wie kommen Sie darauf, dass dies Ihr Bett ist?”
    “Nun, das ist es nicht”, erwiderte sie wahrheitsgemäß und stand auf. Geschwind wickelte sie die Bettdecke um sich und griff sich an die Schläfen, da sie auf einmal heftige Kopfschmerzen empfand: “Oh, mein Kopf! Wo bin ich? Was ist passiert?”
    “Ich habe nicht die mindeste Ahnung”, gestand Jared ehrlich, “und wüsste ebenfalls gern, wo wir hier sind. Irgendetwas Schreckliches muss geschehen sein. Sie müssen einen Schlag gegen das linke Auge erhalten haben, und meine rechte Schulter tut höllisch weh! Ich habe das Gefühl, sie mir ausgerenkt zu haben. Und beim Sprechen habe ich starke Schmerzen, ganz so, als hätte ich einen wuchtigen Hieb gegen das Kinn bekommen. Haben wir beide uns vielleicht geprügelt, oder sind wir mit den Stühlen aufeinander losgegangen?”
    “Reden Sie keinen Unsinn!”, antwortete Amanda unwirsch, ging zum Waschtisch und warf einen Blick in den Spiegel. “Oh mein Gott!”, flüsterte sie erschüttert. “Ich sehe fürchterlich aus!”
    “Erlauben Sie mir, Ihnen zu widersprechen”, sagte Jared schmunzelnd. “Ich finde Sie entzückend.” Das war nicht übertrieben, denn sie hatte schönes, wenngleich jetzt ziemlich zerzaustes blondes Haar, sehr ausdrucksvolle braune Augen, eine kleine, keck gebogene Nase und volle, sinnlich wirkende Lippen. Ihr Kinn war vielleicht eine Spur zu spitz, was möglicherweise auf ein sehr selbstbewusstes, eigenständiges Wesen schließen ließ. “Allerdings muss ich einräumen”, fuhr er trocken fort, “dass Sie im Moment einen etwas mitgenommenen Eindruck machen, als hätte jemand Sie durch eine Dornenhecke …”
    “Hecke!”, fiel Amanda ihm in jähem Begreifen ins Wort. “Nun erinnere ich mich! Wir saßen in der Postkutsche. Bald nachdem Sie zugestiegen sind, ist sie
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