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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb
Autoren: Patrícia Melo
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Bodenklappe, der in meinem Kopf tickte wie eine Zeitbombe. Ich aß rasch, bedankte mich und ging zurück in mein Zimmer, um zu sehen, ob sie im Fernsehen irgendeine Nachricht über ein verschwundenes Flugzeug bringen würden.
6
    Die Nachricht, auf die ich wartete, kam erst im Laufe des Vormittags. Die Reporterin sagte, der Pilot sei seit Sonntag verschwunden. Sein Name lautete José Beraba Júnior, aber das wusste ich bereits aus den Papieren, die ich in dem Rucksackgefunden hatte. Was ich nicht wusste: Der Junge war der Sohn eines reichen Viehzüchters aus der Gegend. Die Bilder zeigten den Piloten bei einem Pferderennen, beim Skilaufen in Aspen und zusammen mit seinem Vater beim Impfen des Viehs. Es hieß, die Suche nach der verschollenen einmotorigen Maschine werde sich auf die unmittelbare Umgebung von Corumbá konzentrieren, wo laut dem Radarbericht der letzte Kontakt am Sonntag gegen sechzehn Uhr bestanden hatte. Zum Abschluss des Berichts eine Stellungnahme seiner Freundin: Ich weiß, dass Júnior am Leben ist, sagte sie, und bitte alle, für ihn zu beten. So weit, so gut, dachte ich. Alles unter Kontrolle, Over.
    Ich holte einen Stuhl und zog den Rucksack des Piloten hinter der Bodenklappe hervor.
    In aller Ruhe breitete ich seinen Inhalt auf dem Tisch aus und besah mir genau jeden einzelnen Gegenstand: Uhr, Brille, Brieftasche, Schlüssel, Telefon und zwei Stifte. Und das Päckchen mit den Drogen.
    In der Brieftasche fand ich mehrere Kreditkarten, zwei Hunderterscheine, drei Zehner und den Personalausweis des Piloten. Es war auch ein kleiner Ausweis vom Viehzüchterverband Mato Grosso do Sul darin.
    Es wäre besser, all das loszuwerden und den Rucksack, vorsichtshalber noch mit Steinen beschwert, in den Fluss zu werfen. Das würde ich tun, wenn ich das nächste Mal angeln ginge.
    Die Uhr streifte ich mir über das Handgelenk und stopfte den Rest der Sachen zurück in den Rucksack, ehe ich ihn wieder hinter der Klappe versteckte.
    Während ich mich anzog, fiel mir die Pfandleihe des alten Arabers in der Nähe vom Friedhof Santa Cruz wieder ein, woich gleich nach meiner Ankunft in Corumbá den Ehering meiner Mutter versetzt hatte.
    Um elf Uhr morgens flirrte die Stadt vor Hitze. Ich parkte hinter dem Friedhof, und als ich aus dem Auto stieg, beschlugen die Gläser meiner Sonnenbrille. Schweißgebadet betrat ich den Laden und zeigte dem Araber die Uhr.
    Aufmerksam inspizierte er den Aufkleber mit dem grünen Hologramm auf der Rückseite der Uhr, auf dem die Seriennummer stand. Dann rechnete er mit dem Taschenrechner und bot mir einen Betrag, den ich sofort akzeptierte. Bereitwillig unterschrieb ich den Pfandschein.
    Auf dem Weg zurück zum Auto betastete ich das Geld in meiner Tasche und dachte, dass ich damit zumindest fürs Erste zurechtkommen würde.
    Bevor ich heimkehrte, kaufte ich eine Präzisionswaage, Plastikfolie, Klebeband und eine Tüte voller roter Sterne.
    Das würde mein Markenzeichen werden, Over.
    Gegen sieben parkte ich vor dem Kommissariat und wartete auf Sulamita. Sie kam in Begleitung des Ermittlers Joel heraus. Ciao, Süße, sagte er. Ciao, Tranqueira. So nannten sie einander, Süße und Tranqueira, das Bollwerk.
    Auf dem Weg nach Hause kauften wir eine Pizza. Aßen vor dem Fernseher zu Abend und tranken Bier, ich stets mit einem Ohr bei den Nachrichten.
    Später im Bett versuchte ich, Sulamita ein paar wichtige Informationen zu meinem Vorhaben zu entlocken. Stellte eine Reihe von Fragen, eine nach der anderen, behutsam, um mich nicht zu verraten. Zwischendurch Lob. Und Küsse, Over. Dann ging es wieder mit den Fragen weiter.
    So erfuhr ich, dass das Drogengeschäft in Corumbá nicht anders funktionierte als im restlichen Brasilien, was bedeutete, dass es keine Kartelle und keine Mafia mehr gab, sondern ein Netz von Geschäftsleuten, die im Dienste des Drogenhandels eine Mischung aus Autovermietungen, Viehfarmen, Schlachthöfen, Lagern und Lufttaxiunternehmen betrieben und Autodiebstähle begingen, Autos ausschlachteten und mit Autoteilen handelten. Es war schwer, in das Geschäft einzusteigen. Man brauchte Dinge, die ich nicht hatte. Musste die richtigen Leute kennen, aber ich stammte noch nicht mal aus Corumbá. So funktioniert das Drogengeschäft im großen Stil, sagte Sulamita. Beim Verkauf an die Konsumenten sind die Dealer an kein spezielles Modell gebunden. Das ist mein Segment, dachte ich. Einzelverkauf, Over. Das sind Leute, die alleine arbeiten, erklärte Sulamita, oder
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