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Lehrerzimmer

Lehrerzimmer

Titel: Lehrerzimmer
Autoren: Markus Orths
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Klüting aus dem Mercedes stieg und ein riesiges Pappschild mit den Buchstaben c, a und r auf das Dach des Autos klebte. Da lief Hilde Bräunle auf mich zu und fragte mich, ob ich mich mit Computern auskennen würde, der Drucker drucke nicht. Nein, sagte ich und ging ins Lehrerzimmer, wo ich mit ansehen musste, wie einige Schüler drei Statuen von nackten Gottheiten, meterhoch und augenscheinlich schwer, Achim Renner hinterhertrugen, der die Schüler mit dirigierenden Worten an seinen Tisch führte. Endlich kam ich zum Adressverzeichnis der Lehrer, schlug es auf und fand Saffts Telefonnummer, die ich mir, um sie nicht zu verlieren, auf den Handrücken notierte, ehe Pascal zu mir trat und sagte, er könne es nicht glauben, es sei einfach unfassbar. Was denn? fragte ich. Er habe heute Morgen einen Anruf vom Domkapitular erhalten, er, Pascal, sei für die Goldene Missio nominiert, die jedes Jahr an den besten kirchlich angestellten Religionslehrer verliehen werde. Glückwunsch, sagte ich in das Klingeln hinein und verließ das Lehrerzimmer. Nachdem ich meine Stunde zu Ende gebracht und ordnungsgemäß nach dem letzten aus der Klasse entfernten Schüler abgeschlossen und gesehen hatte, wie Frau Klüting ihren neuen Mercedes zurück auf den Parkplatz fuhr, ging ich ins Lehrerzimmer und wählte Saffts Nummer. Der Anrufbeantworter sprang an. Ich versuchte Frau Safft in kurzen Worten zu erklären, worum es sich handelte, bat sie, mir die Nummer des Films aufs Band zu sprechen, und gab ihr dazu meine eigene Nummer. Dann legte ich auf und wollte mich gerade aufs Sofa setzen, als plötzlich, während noch alle Lehrer in friedlicher, nichts ahnender Große-Pause-Hektik um ihre Tische schwirrten, die beiden Türen zum Lehrerzimmer gleichzeitig aufsprangen und sich drei, fünf, sieben, zehn, fünfzehn weiß gekleidete Männer hineinschoben. Absolute Stille war die Folge. Eine Stille, in die hinein ein schreckliches Wort fiel. Untersuchungskommission, sagte einer der Männer. Gestern sei ein anonymer Anruf eingegangen, fuhr er fort, um sechzehn Uhr fünfundzwanzig, im Oberschulamt Stuttgart, der Einsatz von anonymen Anrufen sei jedoch laut Paragraf siebenundzwanzig neun der Verwaltungsvorschrift  C  III über das Verwenden von Telefonapparaten zu dienstlichen Zwecken strikt verboten. Dem anonymen Anruf habe man aber unzweifelhaft entnehmen können, dass im Kollegium des Göppinger ERG ein Maulwurf sein Unwesen treibe, ein nicht identifizierter Maulwurf, ein selbstredend ungenehmigter und daher verbotener Sachverhalt. Des Weiteren sei man von einem unerlaubten Losverfahren in Kenntnis gesetzt worden, das während einer dienstlichen Besprechung stattgefunden habe, welche Tatsache einen Verstoß gegen die Verwaltungsvorschrift  A  IV über den Einsatz von Entscheidungsmaßnahmen innerhalb eines abtrünnigen Lehrerkollegiums darstelle. Infolge dieser betrüblichen Vorfälle stehe nun eine gründliche Untersuchung an, die, angeordnet von ganz oben, unverzüglich durchzuführen sei. Niemand verlässt den Raum , sagte der Wortführer. Punkt eins, fuhr er nach einer Weile fort, die Identifizierung des Maulwurfs. Dabei hielt er einen Brief in seinen weiß behandschuhten Händen. Dieser Brief, sagte der Wortführer, sei abgeschickt worden, anonym, an Frau Direktorin Doktor Margarete Wirtz, Leiterin des renommierten KNOGY . In diesem Schriftstück seien unklassifizierte Informationen über interne Angelegenheiten des ERG enthalten. Folglich könne es sich bei dem Schreiber dieses Briefobjektes nur um ein Mitglied des ERG -Kollegiums handeln. Man sei aber ohne weiteres in der Lage, den Täter zu ermitteln, da sich auf dem Umschlag und dem beschriebenen Papier des Beweisstückes nicht nur die Fingerabdrücke von Frau Direktorin Doktor Margarete Wirtz, sondern auch die einer zweiten Person gefunden hätten. Diese zweite Person sei nun zu identifizieren. Einige der Weißen begannen, die Fingerabdrücke der Lehrer abzunehmen, während andere Weiße in der Lehrerbibliothek eine Art Laboratorium aufbauten und die ihnen gebrachten Abdrücke in Apparate spannten und mit den Abdrücken des Maulwurfs auf dem Briefumschlag verglichen. Nach einiger Zeit öffnete sich die Tür ein weiteres Mal, und zwei Weiße führten Höllinger und Bassel ins Lehrerzimmer. Der Wortführer wandte sich nun direkt an Höllinger. Punkt zwei, sagte er, sei der vom geltenden System nicht zu duldende Autoritätsverlust des an der Spitze stehenden Direktors durch eine ans
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