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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel
Autoren: Marie Lu
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um. Ein jäher Schmerz durchzuckt mein verletztes Bein. Die Worte bleiben auf meiner Zunge kleben und weigern sich herauszukommen.
    »Wir sind in Valencia. In den Außenbezirken. Weiter wollten uns die Patrioten nicht mitnehmen. Sie sind Richtung Vegas unterwegs.« June blinzelt sich das Wasser aus den Augen. »Du bist frei. Am besten, du verlässt Kalifornien, solange du noch kannst. Sie werden nicht aufhören, nach uns zu suchen.«
    Ich öffne den Mund und schließe ihn dann wieder. Träume ich? Ich rücke näher zu ihr. Eine meiner Hände hebt sich und berührt ihr Gesicht. »Was ... was ist passiert? Ist alles in Ordnung mit dir? Wie hast du mich aus der Zentrale befreit? Wissen die, dass du mir geholfen hast?«
    June starrt mich bloß an, als überlegte sie, ob sie meine Fragen beantworten soll oder nicht. Schließlich blickt sie zur Dachkante. »Guck es dir selbst an.«
    Mühsam stehe ich auf. Jetzt kann ich über das Dach hinweg die JumboTrons an den Hauswänden sehen. Ich humpele zur Kante und blicke über die Brüstung. Wir sind definitiv am Stadtrand. Ich erkenne, dass das Gebäude, auf dessen Dach wir uns befinden, leer steht. Die Eingänge sind verbarrikadiert und nur zwei der JumboTrons in der Umgebung sind funktionstüchtig. Ich blicke auf die Bildschirme.
    Die Schlagzeile, die dort aufleuchtet, lässt mich nach Luft schnappen.
    DANIEL ALTAN WING HINGERICHTET - TOD DURCH ERSCHIESSUNGSKOMMANDO
    Hinter dem Text läuft eine Videosequenz. Ich sehe mich in meiner Zelle. Ich blicke direkt in die Kamera. Dann gibt es einen Schnitt zum Hof, auf dem das Erschießungskommando Aufstellung genommen hat. Ein paar Soldaten zerren einen um sich tretenden Jungen nach draußen. An nichts von all dem kann ich mich erinnern. Der Junge trägt eine Augenbinde, seine Hände sind stramm hinter seinem Rücken gefesselt. Er sieht genauso aus wie ich.
    Bis auf ein paar Kleinigkeiten, die nur mir auffallen. Seine Schultern sind einen Tick breiter als meine. Sein leichtes Humpeln wirkt nicht ganz echt und sein Mund ähnelt mehr dem meines Vaters als dem meiner Mutter.
    Ich blinzele durch den Regen. Das kann nicht sein ...
    Der Junge bleibt in der Mitte des Hofs stehen. Seine Wachen machen kehrt und marschieren eilig zurück an den Rand. Eine Reihe von Soldaten hebt ihre Waffen und richtet sie auf den Jungen. Es folgt ein kurzer, entsetzlicher Moment der Stille. Dann stieben Rauch und Funken aus den Läufen der Gewehre. Ich sehe, wie der Körper des Jungen sich unter jedem einzelnen Schuss aufbäumt. Dann kippt er mit dem Gesicht voran in den Dreck. Ein paar weitere Schüsse fallen. Dann ist es wieder still.
    Das Erschießungskommando tritt ab. Zwei Soldaten heben die Leiche des Jungen hoch und bringen sie ins Krematorium.
    Meine Hände fangen an zu zittern.
    Der Junge ist John.
    Ich wirbele zu June herum. Sie blickt mich schweigend an. »Das ist John!«, schreie ich über den Regen hinweg. »Der Junge da ist John ! Was hatte er da draußen auf dem Hof zu suchen?«
    June sagt nichts.
    Ich bekomme keine Luft. Jetzt wird mir klar, was sie getan hat. »Du hast ihn nicht zurückgebracht«, stoße ich hervor. »Du hast uns ausgetauscht.«
    »Das habe ich nicht«, erwidert sie. »Er hat es getan.«
    Ich hinke zu ihr zurück. Ich packe sie bei den Schultern und dränge sie gegen die Mauer des Schornsteins. »Sag mir, was passiert ist. Warum hat er das getan?«, schreie ich. »Das da hätte ich sein sollen!«
    June schreit auf vor Schmerz und mir wird klar, dass sie verletzt ist. Ein tiefer Schnitt verläuft über ihre Schulter und tränkt ihren Ärmel mit Blut. Was fällt mir nur ein, sie so anzuschreien? Ich reiße einen Streifen Stoff von meinem T-Shirt ab und versuche, ihre Wunde so zu verbinden, wie Tess es getan hätte. Dann ziehe ich die Enden fest und verknote sie. June zuckt zusammen.
    »Ist nicht weiter schlimm«, lügt sie. »Bloß ein Streifschuss.«
    »Bist du sonst noch irgendwo verletzt?« Ich fahre mit den Händen über ihren anderen Arm, dann berühre ich sanft ihre Taille und Beine. Sie zittert.
    »Ich glaube nicht. Alles in Ordnung.« Als ich ihr ein paar nasse Haarsträhnen hinters Ohr schiebe, sieht sie zu mir auf. »Day ... mein Plan hat nicht funktioniert. Ich wollte euch beide rausholen. Und ich hätte es auch geschafft. Aber ...«
    Bei dem Gedanken an das Bild von Johns leblosem Körper auf den JumboTrons wird mir schwindelig. Ich hole tief Luft. »Was ist passiert?«
    »Wir hatten nicht genug Zeit.« Sie hält
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