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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)
Autoren: Manfred Lütz
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mit solchen künstlichen Gedankengebilden erreicht man die Wirklichkeit nicht mehr. Sinn und Religion sind nicht künstlich produzierbar, sondern nur erfahrbar und die Sehnsucht aller Menschen nach dem Ziel ihres Lebens kann nicht mit einer reinen Idee befriedigt werden, sie sehnt sich nach erlebbarer Wirklichkeit. Damit ist diese religiöse Sehnsucht aber der Lebenslust sehr nahe, die nichts so sehr liebt wie die Wirklichkeit. So kann die Lust auf das wirkliche Leben der Weg zu einer ernsthaften religiösen Fundierung sein und die Sehnsucht nach wirklicher Religion die Lebenslust steigern.
    Wie wirklich ist aber diese Wirklichkeit? Sind die ergreifenden Wirkungen von Musik, von Liebe, von Malerei nicht bloß eine höhere Form von Illusion? Ist das, was wir erleben, nicht nur ein Effekt von Hormonen, Neurotransmittern und vegetativem Nervensystem? Diese Frage ist streng wissenschaftlich nicht beantwortbar. Jeder muss sich aus seiner eigenen Lebenserfahrung fragen, ob er die Liebe eines geliebten Menschen für ein Chemieprodukt oder für etwas Primäres hält, was ihm existenziell aus der Wirklichkeit zustößt. Daran hängt alles. Hält er die Welt für ein Chemieprodukt mit mehr oder weniger erfreulichen illusionären Epiphänomenen wie Vertrauen, Liebe und Kunsterleben, dann wird er freilich auch die Lebenslust als Illusion verachten. Traut er seinen innersten Erfahrungen, dann sind auch die Erfahrungen unmittelbare Wirklichkeit, die das, was Metermaß, Waage und Uhr messen können, sprengen. Und dann kann er auch der Lust am Leben trauen, die er verspürt, wenn er in der Musik, in der Liebe und in der Kunst Ewigkeit erlebt.
    Ob solche Ewigkeit aber für sie persönlich Bestand hat, das können Menschen dennoch nicht wissen. Die Christen wissen nicht nur, vielmehr sie sind sich gewiss, das heißt sie glauben, dass durch Jesus Christus das Heil wirklich gekommen, der Tod wirklich überwunden und ewiges Leben wirklich und verlässlich eröffnet ist. Und so strahlt für sie das ewige Leben sein Licht bereits in dieses Leben hinein, nicht bloß als Option für irgendwann einmal, sondern schon als Ereignis. Was sie in der Musik, in der Liebe, in der Kunst und den vielen anderen so genannten transzendentalen Erfahrungen ergreifend erleben, das ist nicht melancholische Erinnerung an ein für immer verlorenes Paradies und auch nicht schmerzliche Ahnung von etwas, für das man nicht bestimmt ist. Vielmehr können Christen in diesen Momenten höchsten leibhaftigen Glücks, die in jedem Leben immer nur vorübergehend sein können, das dauerhafte Glück vorkosten, das sie erwarten. Und das begründet christliche Lebensfreude und christliche Lebenslust.
    3. Ergreifende Schönheit
    Doch nicht nur Christen streben nach Lebenslust. Alle Menschen haben die Chance, sich vom Eigentlichen des Lebens ergreifen zu lassen. Wie das gehen kann – und auch wie man dabei Sackgassen vermeiden kann –, darüber ging dieses Buch. Wir sind dabei den zeit- und kraftaufwendigen Irrungen und Wirrungen der Gesundheitsreligion gefolgt, die von Verheißungen lebt, die sie nicht erfüllen kann. Dennoch haben wir eine maßvolle Bemühung um Gesundheit schätzen gelernt. Wir haben einen Vorstoß ins Dunkel der Grenzsituationen menschlicher Existenz gemacht – und dabei gerade dort lebendige Quellen der Lebenslust gefunden. Lebenskunst ist, Behinderung, Krankheit, Schmerzen und Leiden nicht als Defizite zu betrachten, das Alter freudig zu erwarten, im Bewusstsein des sicheren Todes die Lust am Leben intensiv zu spüren und entschieden sein einzigartiges Leben zu leben. Das heißt, gelebte Zeit zur erlebten Zeit zu machen, nicht zu tun, was »man« so tut, sich nicht von irgendwas oder irgendwem leben zu lassen, sondern höchst persönlich zu leben – damit nicht eines Tages auf dem Grabstein steht: »Er lebte still und unscheinbar, er starb, weil es so üblich war.«
    Weil es Lebenslust nicht anders gibt als höchst persönlich, deswegen habe ich auf Rezepte verzichtet. Alle Menschen streben nach Glück und Lebenslust. Gäbe es sie, die ultimative Methode, glücklich zu werden – es würde sich erübrigen, das Leben. Nichts anderes wäre es als eine Schnitzeljagd mit nur einem richtigen Weg. Man würde seine Individualität am Beginn des Weges an der Garderobe abgeben und, zusammen mit Massen von Menschen auf dem Trimm-dich-Pfad des Lebens geschoben und gedrängt, ein Leben nach Plan absolvieren. Menschenunwürdig wäre ein solches Leben als
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