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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)
Autoren: Manfred Lütz
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Exerzierübungen. Diätbewegungen gehen wie wellenförmige Massenbewegungen übers Land, in ihrem Ernst die Büßer- und Geißlerbewegungen des Mittelalters bei weitem übertreffend.
    Im Wissenschaftsteil einer seriösen überregionalen Tageszeitung erschien ein Artikel über japanische Studien über Würmer. Dabei war herausgekommen, dass Würmer, die quasi nichts essen – und wenn überhaupt, nur Körner – wahnsinnig alt werden. Und man sei jetzt dabei, das aufs Menschenmodell zu übertragen. Der Artikel atmete Nobelpreisverdächtigkeit. Wenn ich mir aber überlege, ich dürfte quasi nichts mehr essen und wenn überhaupt, nur Körner und könnte dann noch nicht einmal sterben … das wäre für mich die konkrete Beschreibung der Hölle. Aber in der Gesundheitsreligion: paradiesische Zustände!
    Die Gesundheitsreligion ist Realsatire pur. Eigentlich wäre es Zeit, die Absurdität dieses ganzen Treibens zu entlarven. Doch da sei Gott vor! Genauer gesagt: Der Blasphemieschutz ist inzwischen von den Altreligionen auf die Gesundheitsreligion übergegangen. Über Jesus Christus können Sie in unserer Gesellschaft jeden albernen Scherz machen, aber bei der Gesundheit hört der Spaß auf – nur in diesem Buch fängt er genau da an. Denn in totalitären Systemen kann man die Wahrheit nur satirisch sagen – und die Gesundheitsreligion herrscht totalitär mit der Macht strenger Political Correctness. Jede Abweichung vom allgemeinen rituellen Gesundheitsgeschwätz wird streng sanktioniert. Daher ist dieses Buch durchaus ein lustvoller Tabubruch und nichts für kuschelige Meinungssofties, die gerne meinen, was alle meinen, oder Bücher nur danach beurteilen, ob es dem Autor gelingt, die eigene bewährte Auffassung glanzvoll zu bestätigen. Mit anderen Worten, dieses Buch setzt ein gewisses Maß an Grundhumor voraus, denn Humor ist die Fähigkeit, sich selbst einmal wenigstens probeweise in Frage zu stellen. Daher ein eindringlicher Warnhinweis: Aus haftungsrechtlichen Gründen ist dieses Buch für humorlose Fitnessstudiobesitzer nicht geeignet.
    Leider ist Humor generell in Kreisen der Gesundheitsreligion weitgehend unbekannt. Meist war man betroffen, ist betroffen oder wird bald betroffen sein. Und wenn dauernd bei Übertretungen mit der Todesstrafe gedroht wird, ruiniert das ohnehin jede Stimmung. Die Gesundheitsreligion hat dabei übrigens leider entdeckt, dass Lachen mit Humor gar nicht unbedingt etwas zu tun haben muss. Denn wenn der Volksmund schmunzelnd erklärt, Lachen sei gesund, wird so etwas von der Gesundheitsreligion natürlich sofort systematisch aufgegriffen. Es gibt inzwischen in allem Ernst Lachgruppen, wo Leute sich regelmäßig zum gemeinschaftlichen Lachen treffen. Scherze sind dabei verboten, denn es geht um das Lachen an und für sich. Sollten im Rahmen des bevorstehenden Prophylaxegesetzes für alle Bundesbürger verpflichtende Lachzeiten eingeführt werden, habe ich meine Auswanderung angekündigt.
    Dass Gesundheitsgurus zumeist humorlose Ölgötzen sind, hindert mich also nicht an lustvoller Gesundheitssatire. Doch habe ich mir schon ein wenig Sorgen gemacht, wie ein solches Buch wohl auf Menschen wirken könnte, die eine schwere Krankheit haben und für die Gesundheit verständlicherweise ein wichtiges Thema ist. Da erreichte mich, kurz nachdem die Thesen dieses Buches zum ersten Mal das Licht der Öffentlichkeit erblickten, die E-Mail einer Frau:

    »Es ist wunderbar, dass Sie laut sagen, was ich nur zu denken wage. ›Hauptsache gesund‹, wie sehr ich diesen Satz hasse! So ein Quatsch, wenn das die Hauptsache wäre, müsste ich den ganzen Tag Trübsal blasen, und mein Leben hätte keinen Sinn – keine Hauptsache – mehr. Oder noch nie gehabt. Ich habe einen angeborenen Herzfehler und deswegen 6 Herzoperationen hinter mir und dadurch noch einige andere Krankheiten dazubekommen. Da bleibt von Gesundheit als ›Hauptsache‹ nicht viel übrig. Sonst bin ich eigentlich normal: 32 Jahre alt, seit 13 Jahren verheiratet, 2 Kinder … Was die 6. Herzoperation vor 2 Jahren hätte bedeuten können, war uns allen klar. Es gibt schließlich nicht viele (lebende) Menschen nach einer 6. Herzoperation. Aber dass ich sterben könnte und jeder Tag ein besonderes Geschenk an mich ist, wusste ich eigentlich schon sehr früh, seit ich ca. 4 Jahre alt war.
    Nach gelungener Operation kam ich zur Anschlussheilbehandlung. Dort waren fast nur ältere Menschen, auch nach Herzoperationen oder
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