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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)
Autoren: Manfred Lütz
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sondern für Gott und die Welt. Sie legen durch ihr Leben der schweigenden Besinnung und des Gebets ein lautes Bekenntnis dafür ab, dass es noch etwas über dieses Leben hinaus gibt – Ewigkeit. Im Lob Gottes liegt der Sinn ihres Lebens und im Gebet für die kirchliche Gemeinschaft und für die Welt. Doch nicht nur im Gebet. »Ora et labora«, lautet die Aufforderung des heiligen Benedikt, bete und arbeite. Bei aller Hochschätzung der Kontemplation: Auch in der leibhaftigen Tätigkeit soll der Mönch seine Existenz für Gott und die Welt leben – nicht zuletzt, um mit seiner Lebensform niemandem auf der Tasche zu liegen.
    Das benediktinische Lebenslustkonzept, das sich im Gegensatz zu den leicht verderblichen Kunstprodukten, die derzeit im Umlauf sind, seit 1500 Jahren bestens bewährt hat, ist ein Geheimtipp für Kenner. Wie in früheren Jahrhunderten gibt es heute viele Menschen, die sich für einige Zeit in ein Benediktinerkloster zurückziehen, um dort zur Besinnung zu kommen und ihr Leben neu auszurichten, oder auch nur einfach, um »aufzutanken«. Der heilige Benedikt hat das vorgesehen. Die Regel 53 beinhaltet eine geradezu überschwängliche Gastfreundschaft. Es gibt daher keine Benediktinerklöster ohne Gästezimmer. Als Gäste treffen sich dort abgehetzte Manager, die sich mutig dazu entschließen, eine Zeit lang nichts zu sagen zu haben, rastlose Politiker, die sich überlegen wollen, was sie eigentlich meinen, oder auch Menschen, die in einer tiefen Lebenskrise stecken und das Wesentliche in ihrem Leben vom Unwesentlichen unterscheiden wollen. Für jemanden, der eine große Enttäuschung erfahren hat, kann es allein schon nützlich sein, Leute zu erleben, die selbst ganz freiwillig ein Leben gewählt haben, das sich nicht nur auf Menschen verlässt, sondern letztlich auf Gott. Auf diese Weise hat manch einer wieder Boden unter die Füße bekommen, ohne in Zynismus zu verfallen. Man kann im Benediktinerkloster lernen, Schweigen, das länger dauert als eine Minute, auszuhalten und überhaupt wieder Zeit zu erleben. Und das ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für Lebenslust.
    Ist für Christen also das Kloster der Königsweg zur Lebenslust? Keineswegs! Der heilige Benedikt hat selbst mit flächendeckenden Mönchskolonien miserable Erfahrungen gemacht. Das Klosterleben ist ein Unterschied, der einen wirklichen Unterschied macht: Ein wenig Salz in der Suppe und vielleicht sogar nützlicher Sand im Getriebe. Nicht mehr und nicht weniger. Selbst manche kirchlichen Würdenträger hatten es überhaupt nicht mit den Klöstern und waren der Lebenslust dennoch zugetan. Auf dem herrlichen Bild von Jan van Eyck in Brügge, der Madonna des Kanonikus van der Paele, das mit aller Lust an der Wirklichkeit gemalt ist, die die hier beginnende neuzeitliche Malerei kennzeichnen sollte, sieht man im Vordergrund den Kanonikus: ein offensichtlich durch und durch weltlicher Mann, Typ Bankdirektor, nicht sehr sympathisch und in seiner prallen Diesseitigkeit ganz gewiss ohne jeden Sinn für Mystik. Er faltet die Hände, man hat den Eindruck, weil es so üblich ist, und schaut etwas unsicher, fast skeptisch ins Leere. Fromm wirkt das nicht. Aber als Vision erscheint vor ihm die Madonna in einem prachtvollen Gewand, die ihm mit milder Geste Erlösung verheißt. Das Interessante an diesem Bild ist, dass der Kanonikus sie gar nicht sieht, die Vision. Nur wir, die Betrachter, werden ihrer ansichtig. Ein schönes und ermutigendes Bild, zeigt es doch, dass der Segen Gottes und der Gottesmutter Maria sogar auf so einem ganz diesseitigen Menschen liegt – sogar wenn der in seiner ganzen Weltlichkeit die Madonna gar nicht wahrnimmt, die aus dem Jenseits ins Diesseits hineinsegnet.
    2. Ganzheitliches Heil
    Der Lobpreis der Wirklichkeit in den Gemälden Jan van Eycks entstammt geistesgeschichtlich dem christlichen Lobpreis der Welt als Schöpfung Gottes, wie er vor allem Franz von Assisi zu verdanken ist. Alles Denken des Mittelalters war nach Franz darauf ausgerichtet, das Ganze der Welt und des Lebens als gutes Werk Gottes zu verstehen und damit als Vorahnung des Heils.
    Dass Kunst diese Ahnung von Heil Gestalt werden lassen kann, aus dieser Überzeugung hat das Mittelalter eine faszinierende Konsequenz gezogen. Man war nämlich der Auffassung, dass ein leidender und kranker Mensch durch die Betrachtung eines bestimmten Kunstwerks geheilt werden könnte. Ein ergreifender Gedanke! Heiltümer nannte man solche Bilder und eines
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