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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)
Autoren: Manfred Lütz
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genannten Heiligen. Ihre Spiritualität ist praktisch. Diese leibhaftigen Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein Lebensbekenntnis abgelegt haben. Es gibt Heilige, von denen man keinerlei Äußerungen kennt. Man weiß nur, dass sie vorbildlich gelebt haben. Das reicht. Und da solche Menschen aus Fleisch und Blut sich nicht in Schubladen und Systeme einordnen lassen wie Ideen, sind sie auch erwartungsgemäß unterschiedlich, sehr unterschiedlich sogar. Alle Temperamente und Mentalitäten trifft man hier an. Niemand wird wohl alle diese Heiligen sympathisch finden. Dem einen wird dieser, dem anderen jener besonders viel sagen. Das ist ganz normal. Sogar die Heiligen selbst fanden sich untereinander nicht immer sympathisch. Der heilige Hieronymus, bei aller Heiligkeit als Wissenschaftler doch etwas eitel, nennt den heiligen Ambrosius von Mailand wörtlich eine »hässliche Krähe«, und der heilige Clochard Philippus Neri hatte bekanntlich mit dem heiligen Ignatius von Loyola auch nicht viel im Sinn. Damit ist das Christentum zweifellos eine etwas ungeordnete Sache. Doch da die Menschen nicht im Anatomiebuch, aber in der Realität sehr unterschiedlich sind, kann jeder, der sucht, auch einen leibhaftigen Christen finden, der ihm durch Taten oder Worte wirklich etwas zu sagen hat. Denn Christ wird man wohl eher durch die Begegnung mit solchen glaubwürdigen Christen als durch Bücher. Gewiss ist die große atheistische Philosophin Edith Stein durch ein Buch zum Glauben gekommen, das sie in einer einzigen Nacht gelesen hat. Dieses Buch war allerdings die Autobiografie der heiligen Teresa von Avila und die bestand nicht aus Theorien, vor allem nicht aus philosophischen. Dadurch bekam Edith Stein Lust am christlichen Leben. Und dadurch bekehrte sie sich zum christlichen Glauben. Ihren weiteren Weg ging sie nicht in der Theorie, sondern in der Wirklichkeit. Ihre Lust am christlichen Leben führte sie persönlich in den Karmel, den kontemplativen Orden der sinnlich-religiösen heiligen Teresa. Der Gang ins Kloster als Ausdruck der Lebenslust?
    Der Erfinder des abendländischen Klosters, der heilige Benedikt von Nursia, würde dem jedenfalls lebhaft zustimmen. »Wer hat Lust zu leben?«, ruft er am Beginn seiner Klosterregel den jungen Menschen seiner Zeit zu, um sie zu motivieren, ins Kloster zu gehen. Etikettenschwindel? Wenn man Klöster für Orte hält, wo man unter Zuhilfenahme gregorianischer Choräle gemeinsam Trübsal bläst, kann man da nur übelste Rekrutierungsmethoden vermuten. Klöster sind aber keine Orte der Weltflucht, wie es sich manche vorstellen. Wer vor der Welt oder auch nur vor einer abschreckenden Verlobten ins Kloster weglaufen will, wird dort keine Aufnahme finden. Die Fähigkeit zur Lebenslust ist Voraussetzung für ein Klosterleben. Nicht dass Klöster für Christen die einzigen Orte der Lebenslust wären, immerhin hat die Ehe den hohen Rang eines Sakraments, den das Ordensgelübde nicht hat. Ein Kloster voller weltverachtender Jammerlappen hat jedenfalls mit den Absichten des heiligen Benedikt nichts zu tun. Nur sehr vitale Menschen sind fürs Klosterleben wirklich geeignet, Menschen also, die die souveräne Freiheit besitzen, freiwillig aus all dem Getriebe und den Zwängen eines profanen Lebens auszusteigen, um einzusteigen in ein Leben der intensiven Besinnung auf das Wesentliche. Benedikt von Nursia, der noch in der Antike geboren war, gelang es, die besten Früchte der Antike für das Christentum zu ernten und so lebendig an die Zukunft weiterzugeben. Muße und Kult vereinigte er wieder. Zwecklos sind die Gesänge der Mönche, aber höchst sinnvoll. Feierlich und festlich ist der Gottesdienst. Keine Geschäftigkeit sollte den Mönch ablenken. Benedikt verordnete Stabilitas Loci: Schon bei seinem Eintritt wusste der Mönch, dass er auch in diesem Kloster sterben wird, und täglich konnte er seine künftige Grabstätte sehen. Wen so etwas betrübte, der hielt das ohnehin nicht lange aus. Vielmehr sammelten die Mönche aus alldem Kraft für die großartigen Schöpfungen, die die Klöster über das Mittelalter bis heute vollbracht haben. Ohne die benediktinischen Klöster und ihre Leistungen gäbe es das Abendland nicht und auch nicht unsere Kultur. Damit wird deutlich, worin sich christliche Kontemplation von der Weltflucht des Diogenes in seine Tonne unterscheidet. Mönche betreiben nicht kultivierten Egoismus. Sie leben nicht für sich im Kloster,
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