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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder
Autoren: Manfred Rebhandl
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nagelneuen Quattro mit seinem jungen Glück die Schwiegereltern drüben in Goisern besuchen wollte und er seine Lieblingskurve samt Kompression an der Abzweigung nach Goisern – eine Kurve, schöner und gefährlicher als die Nordkurve des Nürburgrings! – im wahnwitzigen Geschwindigkeitsrausch nehmen wollte, schneller und verwegener als alle anderen vor ihm, kann denn da etwas schief gehen?
    Alles, wie er heute weiß, aber auch wirklich alles!
    Denn natürlich konnte der Mallinger diese Rakete unter seinem schmalen Arsch unmöglich bändigen. Und natürlich schaute er augenblicklich blöd aus seinem Steireranzug, als er nach diesem Vollgasrausch plötzlich oben im Mischwald saß, ganz und gar vom rechten Weg abgekommen, alleine und noch immer angeschnallt in seinem tiefer gelegten Schalensitz, aber allzu weit neben dem dazugehörigen und völlig zerknüllten Allrad.
    Den kleinen Niki hat es zuvor schon hinauskatapultiert in die herrliche Natur, wo er im weichen Mischwaldlaub liegen blieb. Noch bevor er ein einziges Kart-Rennen gewinnen konnte (wie es sein Plan für den Erstgeborenen war), musste er Gottes weites Erdenrund schon wieder verlassen, ungetauft und mit angeschissenen Windeln.
    Und den abgerissenen Schädel von seiner geliebten Hertha fand der Biermösel dann überhaupt erst am Ostermontag drüben im Zuständigkeitsbereich des Grasmuck in Goisern, nachdem ihr Körper zuvor in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich herüben in Aussee vierzehn Buchen gefällt hatte, bevor er (in Teilen) an einer Felswand zum Erliegen kam.
    Und er selbst, die selbsternannte Rennfahrerhoffnung eines ganzen erwartungsfrohen Landes, das seit dem Lauda keinen Weltmeister mehr hervorbrachte?
    Zunächst schien es, als wäre er Hauptdarsteller eines göttlichen Wunders gewesen und gänzlich unbeschadet seiner Havarie entstiegen. Nach erster ambulanter Versorgung brauchte er weder Salbe noch Tinktur.
    Doch ließ sich bald nach der Trauerphase nicht mehr verheimlichen, dass er während dieses Hochamtes der Zerstörung, während dem sein Quattro wie eine Flipperkugel unkontrolliert durch den Mischwald geschleudert war und sich Hunderte Male überschlug, wohl irgendwo und irgendwann ganz fürchterlich mit dem Kopf angeschlagen sein musste.
    Denn seit damals stottert er wie ein alter Steyr-Traktor, was – unter anderem – ein Grund für den Entzug der Lehrberechtigung war.
    Und seit damals – Aber pssst! Davon hat er auch dem Doktor Krisper nie etwas erzählt, sonst würde der ihn für geistesgestört erklären! – hört er dauernd die Stimme des Heiligen, der Klartext mit ihm redet:
    „Mallinger! Du Mörder! Du Bleifuß! Hättest du damals nicht aufpassen können, du Arsch mit Ohren?“
    Gleich ist es halb vier Uhr morgens, die Stunde des ersten Rosenkranzes, die Stunde der einsamen Seelen und vorbildlichen Beter. Der Mallinger hat sich aus seinem klitschnassen Bett herausgeschält. Er hat ein paar Minuten kalt geduscht, einige flotte Kniebeugen gemacht (flott, flott muss es gehen!) und sich dann seinen Morgenmantel übergeworfen, den er aus dem Marienwallfahrtsort Medjugorje mitgebracht hat.
    Obwohl er im Grunde die entspannte Ferrari-Schalensitzhaltung der vornüber gebeugten Rosenkranzhaltung vorzieht, kniet er nun vor seinem Bett und betrachtet in ruhiger Meditation das Bild der Heiligen Jungfrau, das dort neben dem Bild vom Niki in seinem 76er-WM-Ferrari über seinem Bett an der Wand hängt.
    Zwar ist auch die Heilige Jungfrau kein Ferrari, wenn man sie sich genauer anschaut, ja, sie ist noch nicht einmal ein Boxenluder. Aber sie hat Klasse, freut sich der Mallinger in seinen nächtlichen Betrachtungen immer wieder über die Mutter Gottes, sie hat eine Aura. In puncto Strahlkraft, versinkt er in stiller Bewunderung, kann dieser Frau einfach keine das Wasser reichen, nicht einmal der Niki.
    Da muss der Mallinger plötzlich kichern. Verschämt zwar, weil er weiß, dass man vor dem Bildnis der Heiligen Jungfrau knieend nicht kichert. Aber es fällt ihm gerade wieder ein, wie er vor einem Jahr auf dem Busbahnhof in Attnang-Puchheim eigentlich den Shuttle-Bus zum Oktoberfest nach München besteigen wollte, um sich dort endgültig zu Tode zu trinken. Nach dem fürchterlichen Crash damals war seine Seele in ein schwarzes Kellerloch gefallen, wo sie sich mit dem teuflischen Verführer Suff verschwägerte.
    Aber dann: War es Zufall? War es Gnade? War es der Föhnsturm, der ihm zusetzte? Oder war es schlicht ein lange vorbereiteter
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