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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder
Autoren: Manfred Rebhandl
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gestorben, weil er sich nach dem erbärmlichen Leben den katastrophalen Lebensabend ganz gerne ersparen täte.
    „Windbauch, Windbauch, wer hat den gewaltigsten Windbauch?“

Christophorus, oh Treuer!
    „Na wer schon!“, wüsste der Mallinger drüben in seinem Einfamilienhaus ohne Familie die Antwort. „Der Biermösel hat den gewaltigsten Windbauch, pfui pfui pfui! Und schreiben kann er auch nicht! Und den Führerschein hat er mir auch weggenommen!“
    Aber der Mallinger will nicht schadenfroh sein. Er will sich nicht weiden am Unglück anderer und nicht auf Liegende hintreten, das tut man einfach nicht.
    Außerdem: Seit drei Jahren im erzwungenen Vorruhestand, steht er ja selbst heute keinen Deut besser da als der Biermösel. Mal abgesehen von der wirklich schönen Lehrer-Frühpension vielleicht, die natürlich ein echtes Zuckerl ist.
    Schlafen kann er aber trotzdem nicht.
    Sein Leben ist ihm entglitten, seit man ihm die Buchstaben weggenommen hat, die er als Deutschlehrer drüben in der Schule in Ischl zusammenbauen durfte – A ein Apfel, B eine Birne. Heute muss er sich damit begnügen, dass er alle paar Tage im Flachdachrefugium des Puffkaisers Schlevsyk oben am Berghang Nachschau hält, während dieser seinen schmutzigen Geschäften im deutschen Osten nachgeht, eine sinnleere Hausmeistertätigkeit. Und neuerdings wartet er auf den Beginn der Deutschkurse für Ausländer, die er sich bereit erklärt hat zu übernehmen, unentgeltlich natürlich, übermorgen geht es los. Ein kleiner Silberstreif am Horizont, gewiss.
    Doch dazwischen?
    Leider muss er sich eingestehen, dass er sich vielleicht eine Spur zu sehr mit seiner Playstation zerstreut und darauf eine Spur zu häufig die Nordkurve des Nürburgrings durchfährt, welche die gefährlichste Kurve im gesamten Formel-1-Zirkus ist.
    Es juckt ihn immer noch zu sehr in seinen Handgelenken, als dass er reinen Herzens von sich behaupten könnte, sein fürchterlicher Unfall damals wäre ihm eine Lehre gewesen und er hätte die „Faszination Geschwindigkeitsrausch“ für immer hinter sich gelassen. Leider.
    In langen schlaflosen Nächten wie dieser sehnt er sich sogar manchmal wehmütig nach den Zeiten seiner Trunksucht zurück, die auf den Horrorcrash folgte. Damals konnte er zwar auch nicht schlafen. Doch fiel er wenigstens hin und wieder in tiefe Bewusstlosigkeit.
    Es sind nun aber nicht die wie leiser Nebel über das Ausseerland schleichenden Winde des Biermösel, die dem Mallinger heute so sehr zusetzen und ihn im nervös-fiebrigen Hin und Her halten. Es ist auch nicht das von Fehlern strotzende Pensionsansuchen des Biermösel, über dem er brüten und in dem er mit der Lupe prüfen würde, in welchem Wort kein Fehler ist. Das hat er ja noch nicht verfasst, der Biermösel, und seine Winde allein wissen, ob und wann er es je tut.
    Es ist ein immer wiederkehrendes Bombardement visueller Reize, welches ihm sein Hirn zermartert und ihn keine Ruhe mehr finden lässt. Grauenhafte Schlachtenbilder sieht er immer wieder, vor denen er im Geiste stets Zuflucht im Klassenzimmer seiner alten Schule sucht, wo er den Erinnerungen des schrecklichen Crashs damals zu entfliehen versucht.
    Vergeblich!
    Zwar stellt er sich dort vor die grüne Tafel und zählt brav die bunten Buchstaben, die er zuvor feinsäuberlich darauf gemalt hat. Wenn er mit dem Zählen der Schäfchen auf der grünen Wiese durch ist und er trotzdem nicht einschlafen kann, dann zählt das Buchstabenzählen zu seinen Geheimrezepten. Und ein paar Geheimrezepte kann der Mensch durchaus gebrauchen nach diesem Parcours an Prüfungen, über den der liebe Gott ihn gejagt hat – fehlt nur noch, dass ihn ein Wal verschluckt!
    Doch wie jede Nacht hat der Mallinger in seinen Träumen noch nicht bis F wie Ferrari gezählt, da taucht auch schon wieder der C wie Christophorus mit seinem giftgrünen Dodge Viper draußen vor der Schule auf, dreht auf dem Asphalt davor ein paar angeberische Kreisel und lässt die Furcht einflößende Acht-Liter-Höllenmaschine noch einmal kräftig aufheulen, bevor er schließlich das Klassenzimmer in der Art betritt, wie die Hells Angels das Bierlokal betreten.
    Der Chris (wie der Mallinger den Heiligen mittlerweile vielleicht ein wenig zu amikal nennt) ist so unfassbar groß gewachsen, dass er in diesen furchtbaren Träumen überhaupt nur durch die Tür hereinpasst, weil er seinen abgerissenen Schädel lässig unter seinem rechten Arm mit sich spazieren trägt. Aber auch aus diesem heraus
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