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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
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stellt Maika fest. Undeutlich zwar, aber verständlich und in Sätzen. »Ich war schon bei meiner Mutter, sie liegt ziemlich genau ein Stockwerk unter dir.«
    »Genau da. Gut. Ah ja, kühl da. Aua. Tut das weh.«

    Maika lässt ihn noch ein paar Minuten jammern. Als er dann immer noch nicht wissen will, was mit ihrer Mutter los ist oder wie es ihr geht, wendet sie sich dankbar ihrem tönenden Handy zu.
    »Machs aus. Das ist hier verboten.«
    »Niemals«, murmelt Maika. »Das ist eine Kurznachricht aus der Welt der Gesunden.« Die Lappen fliegen in das Waschbecken. »Gute Besserung, Leif. Schlaf dich mal richtig gut aus.«
     
    Vor dem Waschraum sehen sich Nora und Keath kurz an, dann stürmen sie beide gleichzeitig hinein, verriegeln die Tür und reißen sich Shorts, T-Shirts und Unterwäsche vom Leib. Dabei vermeiden sie jeden Kontakt ihrer Haut mit den grauen Kacheln und versuchen, ja nicht die Flip-Flops zu verlieren.
    »Hab mir das weniger angepisst vorgestellt, wenn wir beide zum ersten Mal voreinander alle Hüllen fallen lassen«, sagt Keath und pfeffert seine Klamotten ins Waschbecken.
    »Ich genau so«, sagt Nora und schüttelt sich. »In genau so einem gekachelten Raum. Kuck weg, ich muss mir den Schritt desinfizieren.«
    Er kann nicht wegsehen.
    Keath fühlt, wie eine Liebesbombe in seinem Innern explodiert  – wumm!
    »Wegkucken!« Das klingt ein kleines bisschen schrill.
    Mit hohlen Händen schaufelt Nora das Wasser über sich, seift sich ein und greift zaudernd nach dem Desinfektionskonzentrat. »Wenn ich schreie, kannst du kucken.«
    »Wenn du schreist, hau ich ab. Ich bin mit den Nerven durch.« Keath wäscht sich genauso hektisch.
    Es brennt nicht so stark, wie Nora befürchtet hat. Sie spült sich
ab und entdeckt in der Ecke Putzeimer und Feudel. »Das Wasser läuft gleich nach draußen.«
    Das Zusammen-Feudeln kennen sie, das gemeinsame Klamottenauswringen noch nicht, und beim gegenseitigen Anziehen kriegt alles endlich den Hauch Erotik, von dem beide träumen.
    »Du bist sehr schön.« Nora küsst die aufgeriebenen Stellen an Keaths Bauch.
    »Und du erst«, flüstert Keath heiser. »Ich liebe einfach alles an dir.«
    Als sie sich küssen, passt zwischen Haut und Haut nicht mal Seifenschaum. Erst als Gänsehaut an Gänsehaut reibt und beide leise schnattern und bibbern, entstehen Zwischenräume. Es ist kühl in dem fensterlosen Waschraum, das Wasser war nicht warm, die Klamotten sind nass und die Anspannung ist groß.
    »Lass uns in der Sonne warten.«
    Auf dem Weg nach draußen erfahren sie, dass Mehmet einen allergischen Schock auf den Wespenstich hatte, der aber nicht mehr lebensbedrohlich ist. Nora informiert seine Eltern, weil er über Nacht zur Beobachtung auf der Intensivstation bleiben muss.
    »Lass uns abhauen«, sagt Nora erleichtert. »Gleich schlägt der Stamm der Gündürs hier auf.«
    Sie schieben die Vespa Richtung Ausgang. Alles quietscht vor Nässe. Nur Noras Rucksack ist trocken.
     
    Morgen?, lautet die Kurznachricht von Frank Stein.
    Ja, antwortet Maika und schwebt aus dem Hauptportal des Krankenhauses. Als erstes reales Geräusch dringt ein quietschendes Schlappschlappschlapp in ihr Bewusstsein. Nasse Flip-Flops. Sie blickt nach rechts. Sind das …?

    »Seid ihr in die Elbe gefallen?«
    Nora und Keath drehen sich suchend um.
    Maika kommt den Hauptweg zur Klinik heruntergeschlendert.
    Stumme gegenseitige Musterung, resigniertes Kopfschütteln. Maika bricht das Schweigen: »Was ist passiert? Sagt die Wahrheit. Bloß falls die Pitbull-Glatzen versucht haben sollten, euch zu ertränken und eure Köpfe unters Wasser zu drücken, dann lügt. Das ist mein Albtraum, das würde ich nicht verkraften.«
    »Mehmet ist von einer Wespe gestochen worden«, sagt Keath.
    »Aha.« Maika sieht ihn dumpf an.
    »Er hat allergisch reagiert und muss über Nacht hierbleiben«, vervollständigt Nora die lückenhafte Information.
    »Und wieso seid ihr nass? Und die Vespa auch?«
    »Lange Geschichte. Kann ich dich heute Abend zum Essen einladen?«, fragt Nora. »Und dich?« Blick auf Keath. »Dali geb ich auch Bescheid. Ich finde, solange wir noch nicht eingeliefert worden sind, müssen wir zusammenhalten.«
    »Gute Idee.« Maika setzt sich in Bewegung. »Da kommt mein Bus. Ruf mich an!«
    Nora und Keath setzen ihren quietschenden Weg fort.
    »Willst du auch den Bus nehmen? Oder lieber zu Fuß gehen? Oder doch bei mir mitfahren?«, fragt Keath, während sie die Pforte passieren. Den kopfschüttelnden
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