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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
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Nora. Seitdem sie beschlossen haben, es Mehmet zu sagen, könnte sie jeden schlagen, der sie nur komisch ankuckt.
    Orhan Gündür kommt ihnen im Unterhemd und Trainingshose entgegen. Er ist einen Kopf kleiner als Keath. Das sind fast alle.
    »Hallo, wollt ihr euch anmelden?«
    »Bin Tänzer. Das harte Training würde meine Ballettkarriere gefährden.« Keath grinst und schlägt in Orhans ausgestreckte Hand ein.
    »Aber Capoeira machst du noch oder geht das auch nicht mit Spitzentanz zusammen?« Orhan trippelt auf den Fußspitzen, hebt graziös die tätowierten Arme und spreizt die Finger ab.
    »Kampftanz geht immer.« Keath verschränkt seine Arme vor der breiten Brust und sieht einem Balletteleven etwa so ähnlich wie Mike Tyson einem … Nora fällt kein Vergleich ein und fragt: »Kann ich mal ’ne Probestunde machen?«
    »Ja. Jetzt?« Täte der Kleinen gut, denkt Orhan. Sie hat Muskeln, aber die Feisteren aus ihrer Altersgruppe, die sich der Fettverbrennung zuliebe für Sport entschieden haben, würden Knochenwindspiel zu ihr sagen.
    »Muss noch putzen im Club. Kampf-dem-Dreck reicht mir für heute. Ist Mehmet da?«
    »Er war da. Jetzt ist er nebenan bei Fadil.«
     
    Draußen schlägt die Hitze wieder zu, aber im Lager des 2nd-Hand-Elektro-Ladens von Mehmets Onkel Fadil ist es kühl. Es zieht sich labyrinthartig durch sämtliche Kellergewölbe der Altbauten bis hin zur Hein-Hoyer-Straße.
    »Mehmet!«, ruft Nora und lauscht. Schritte nähern sich.

    Keath spürt die gleiche Anspannung wie Nora.
    Fadil biegt um den Gang und lächelt, als er die beiden erkennt. »Wollt ihr einen Kühlschrank kaufen?«
    »Lieber ’ne Kühltruhe mit Rädern unten dran«, sagt Nora. »Ist Mehmet da?«
    »Nein. Wahrscheinlich hat er eine Freundin. Sami kann sich in Luft auflösen, seitdem er eine hat. Und Mehmet neuerdings auch.«
    Das würde für Nora und Keath die Aussprache vereinfachen, aber sie wissen, dass es nicht so ist.
    »Wir würden gerne noch abkühlen, aber wir müssen los.«
    So einfach kommen sie nicht davon. Genauso wie Mehmet von seiner Familie unablässig eingespannt wird, sind jetzt Nora und Keath dran. Die neuen Waren müssen eingelagert werden, und sie seien, sagt Onkel Fadil, gerade zur rechten Zeit gekommen. Oder zur falschen. Nora und Keath bleiben nur hastige Küsse, wenn sie in den Katakomben die vollgepackten Transportkarren aneinander vorbeischieben.
    »Du bist das Lächeln auf meinen Lippen«, flüstert Keath.
    »Und du bist so geil verschwitzt«, wispert Nora zurück.
    Dann reißen sie sich voneinander los und schieben weiter. Unglaubliche Mengen originalverpackter Haushaltsgeräte fallen von Gabelstaplern und aus Containern, landen irgendwie hier unten und müssen in Regale gepackt werden.
    Onkel Fadil, wie Keath und Nora ihn jetzt auch nennen dürfen, sollen, ist sehr dankbar und gerührt über die unerwartete Hilfe.
     
    Als die Helfer im Club ankommen, blicken sie auf die Rücken von Mehmet, Maika und Dali. Die sitzen nebeneinander auf der Bar und kühlen die Füße in den Spülbecken. »Zehn Minuten zu
spät!« Das klingt vorwurfsvoll, und es hagelt Eiswürfel auf die Zuspätgekommenen.
    Keath fängt einen aus der Luft und steckt ihn in den Mund.
    »Das heißt, ihr schrubbt die Scheißhäuser«, sagt Maika, die fast immer zu spät kommt und trotzdem nie, fast nie, die Lokusse putzt.
    Die beiden reagieren nicht. Keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung. Wir haben bei Onkel Fadil für dich knechten müssen würde nur Nachfragen zur Folge haben. Da üben die Kaltgetränke eine stärkere Anziehungskraft aus. Auf dem Weg zum Kühlschrank stellt Keath fest, dass die Eiswürfel aus den Spülbecken stammen.
    Er spuckt seinen sofort aus und würgt. »Schweine.«
    Mehmet legt Putzmusik auf.
    Der Deckenventilator treibt die verbrauchte Luft der vergangenen Clubnacht gegen die aufgeheizten Ziegelwände und von da wabert sie träge zurück, an den Grafti-Porträts der Destructive Pressure Putzgang vorbei. Die besteht aus den fünf Anwesenden, Nora, Mehmet, Keath, Maika und Dali, die jetzt völlig verschwitzt den dreckigen Fußboden des berühmten SOUND CLUBs schrubben. An Nora klebt das Kleid und das dreckige Spritzwasser rinnt im Zickzack ihre Waden runter. Sie klammert sich am Wischmopp fest.
    »Sag bloß, du machst schlapp«, stöhnt Maika.
    Noras Knie zittern. »Quatsch. Ich atme bloß mal durch und kuck unsre Bilder an.«
    Rechts der Bühne ist Mehmet als DJ verewigt. Mit ihm hat sie sich anfänglich den
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