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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
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Pförtner beachten sie nicht. »Was soll die Frage?« Nora sieht ihn misstrauisch an.
    »Das waren drei …«, Keath hält es für angebracht, die Zahl Drei durch drei ausgestreckte Finger zu verdeutlichen, »… Fragen.«
    Nora macht sich kampfbereit und stemmt die Fäuste in die Hüften. »Was sollen diese drei Fragen, Keath?«
    »Das willst du gerne wissen. Ich antworte dir mit einer Gegenfrage: was für ein Lied? Und wenn ich dieses Mal wieder
keine Antwort kriege, dann musst du zu Fuß gehen oder den Bus nehmen.«
    »Ach, das möchtest du also gern wissen. Dann spitz jetzt mal die Ohren.«
    Nora schnuppert am Vespasitz und nimmt Platz. Sie fummelt ihren Player aus dem mit Geldscheinen vollgestopften Rucksack. »Setz dich und fahr los! Oder denkst du, ich spring wie ’ne Quietsch ma us vor dir in die Höhe und versuch dir den Kopfhörer auf den Schädel zu manövrieren?«
    Leise kichernd klemmt sich Keath hinter den Lenker und fährt los.
     
    Ein spektakuläres Licht liegt über dem Hafen und auf dem Tisch liegen wild durcheinander ein Abendblatt, eine Morgenpost und eine zerfledderte Welt. Der SOUND CLUB ist in den Zeitungen, und Dalis Eltern haben eine Einladung zum Schulgespräch bekommen. Sie stehen wie das Strafgericht vor ihm, allerdings in ebenfalls zerrupfter Form. Was sie aus ihrer Position aus nicht sehen können, ihrer ramponierten Autorität aber noch einen zusätzlichen Dämpfer verleiht, ist die Aureole, Gloriole, der Nimbus oder Strahlenglanz, der ihre Häupter umspielt.
    »Gewalt! Dazu musst du doch eine eindeutig ablehnende Haltung haben, Daniel!« Seine Mutter ist fassungslos.
    Was soll er dazu sagen? Nein? Eindeutig ablehnend? Nein.
    »Oder habe ich erzieherisch auf der ganzen Ebene versagt?«
    Und dazu? Ja, nein? Auf der ganzen Ebene? Nein.
    Dali hat den befürchteten Stress zu Hause und kann sich nicht verdrücken: servus, muss zum Job …
    »Sag du doch was, Stephan!«
    Bevor sein Vater auch noch loslegt, erzählt Dali lieber, warum
er dem anderen Schüler eine reingehauen hat. »…als er sie als heiße Kunstfotzen-Referendarin bezeichnet hat, hab ich ihm eine reingehauen, reflexartig. Ich meine, ihr habt bei mir nie einen frauenfeindlichen Spruch durchgehen lassen.«
    Sein Vater gibt ihm augenblicklich recht. Selbst seine Mutter gerät ins Schwanken. Vielleicht war dies tatsächlich eine der selten gerechtfertigten Situationen, bei denen eine Prügelei angebracht war.
    Dalis Telefon unterbricht das Hin und Her. Zuerst lauscht er nur, dann grummelt er: »Ja, ja, muss das sein, hab gerade wichtige, ah so, bis gleich.« Und zu seinen Eltern: »Die Polizei hat vielleicht den Täter verhaftet, der Leif Borg überfallen hat.«
    Die Eltern hätten lieber die Diskussion abgeschlossen, aber Dali kann mit ihrem Einverständnis gehen. Uff, nix wie weg.
     
    Die Ever Champion fährt geradewegs in die blutrot versinkende Sonne. Sehr gut zu sehen vom höchsten Punkt der Insel aus.
    »Was seufzt du so schwer, Lewandowskalingerin?« Dali ist froh, Nora auf dem höchsten Punkt der Kunstinsel zwischen den Kunstpalmen gefunden zu haben. Der Platz ist überfüllt, laut und unübersichtlich für Verabredungen. Mal heißt er Antonipark, mal Hartz-4-Malle. Oder die Leute reden vom Park Fiction, Betonung auf der ersten Silbe, Fick-tschn. In Sommernächten tobt hier der Bär.
    »Ich hätte die Ever Champion entern sollen und forever ahoi.«
    »Bleib bei uns. Der Fluch der Karibik ist verflucht, äh, verflucht.«
    »So, so.«
    »Wo sind die andern?«
    »Maika kommt gleich. Keath kommt auch gleich. Er bringt ’ne Decke mit.«

    »Und Mehmet?«
    Nora sieht Dali an. »Stimmt, du hast ja keine Ahnung …«
    »Das seh ich aber anders!«
    »Und du warst verdammt seltsam, als ich dich angerufen habe.«
    »Ich hatte mit meinen Eltern ein Gespräch über das Thema Gewalt. Ich konnte nicht reden, wie ich wollte.«
    »Ach so.« Verständlich. »Mehmet ist im Krankenhaus. Wir feiern unseren persönlichen Gesundheitstag.«
    »Wie, was? Krankenhaus?? Was hat er?«
    Wespenstich. Das muss Dali erst mal verdauen. »Und was gibt’s zu essen?«
    »Alles. Aber erst wenn Maika mit den Tellern da ist.«
    Tränenreich geküsst und dankbar verhätschelt hat Nora zwei vollgepackte Plastiktüten mit Köstlichkeiten aus dem Orient-Express-Grill hinausgetragen. Ans Bezahlen durfte sie nicht mal denken. »Bezahlen? Du und Keath, ihr habt unserem Mehmet das Leben gerettet!« Ein neuerlicher Tränenfluss benetzte Noras Haar und das
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