Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
Vom Netzwerk:
verstehen. Alles Körperliche ist leicht mit ihr, einfach, ohne Worte.
    Maika zieht das Rollo ein Stück hoch, als es schon hell ist. »Meine Freunde im Club nennen mich Labertasche«, murmelt sie.
    Es wird früh hell. Es sind die kurzen Nächte, die man mit Liebe füllen sollte, damit es einen schönen Sommer gibt.
    Frank lacht Tränen. Es sind Maikas ersten Worte nach dem Jaja-ja auf Mehmets Handy. »Labertasche«, sagt er. »So, so.«
    »Hm.«
    Sie schieben Pizza in den Backofen.
    Sie essen die Pizza und trinken Säfte.
    Dann knabbern sie gegenseitig an ihren Fingerkuppen, Schultern, Hüftpartien, Busen, Nippeln.
    »Maika, die zarteste Versuchung, seit es di-hi-hi-hich gibt«, singt Frank leise.
    »Stimmt.«
    Aus Granit wäre Sand geworden und aus ihrer Haut Samt. Stundenlang streicheln sie sich.
     
    . Erst halb acht? Nora zieht sich die Decke über die Ohren. Als sie ins Bett gefallen ist, war es schon hell. Sie liebt die kurzen Nächte, aber so kurz … »Was ist denn los, um Himmels willen, Yolanda?«
    Ihre Mutter weint bitterlich, schluchzt, heult, und Nora reibt ihre Augen. »Ist was mit Tata?«
    Sie ist sofort hellwach. Ihrem Vater muss etwas passiert sein, aber Yolanda schüttelt den Kopf.
    »Babka?« Eine eiskalte Faust spürt Nora in ihrer Magengrube.
    »Ich muhuss …«, sie hält Nora einen Brief hin, den sie gerade erst aus dem Briefkasten gefischt hat, »2375 Euro und 41 Cent Mehrwertsteuer zahlen.« Und das sofort. So viel hat sie aber nicht. Das kriegt Nora nach und nach heraus.
     
    »Danke, dass du Mehmet das Leben gerettet hast.« Achmet hilft Nora, dem schlaftrunkenen Mehmet den neuen Clubschlüssel herauszuleiern.
    »Bitte, gern geschehen. Was ist mit Elvis?«, fragt Nora.
    »Der tut noch.«
    Mehmets kleiner Bruder zieht den Clubschlüssel vom Ring und gibt ihn Nora. Es ist kurz nach acht Uhr am Sonntagmorgen. St. Paulis Straßen sind bis auf zwei Reinigungsfahrzeuge wie leer gefegt und außer Nora ist niemand unterwegs.
    Das kontrolliert sie auf dem Weg zum Club unablässig. Besonders gründlich und fluchtbereit nimmt sie den Hinterhof unter die Lupe. Von den Glatzen keine Spur. Die alte Hofkatze streicht Nora um die Beine, das täte sie nicht, wenn die Hunde in der Nähe wären. Die Kleinen kann Nora durch die Latten hinten im Getränkeschuppen ausmachen. Die brauchen dringend Futter. Mehmet hat bestimmt nicht daran gedacht.
     
    Bar und Büro sind immer noch verwüstet. Von der Zerstörung geht eine trostlose Stimmung aus, dazu kommt der faulige Geruch ausgelaufener Flaschen. Die Katze schnuppert an einer klebrigen Lache und zuckt mit dem Kopf zurück.
    Hier wird nie wieder gefeiert, denkt Nora und friert. Nichts wie raus. Sie geht schnell zur Toilette, holt zweitausend Euro aus ihrem Versteck und stopft sie in ihren Rucksack. Die neue Packung Katzentrockenfutter aus dem Putzschrank packt sie obendrauf.
Die Schranktür quietscht, schnappt ins Schloss und wie ein Echo schlägt irgendwo eine Tür. Nora erstarrt und eine Woge von Übelkeit schnürt ihr die Kehle zu. Im großen Saal ist nichts, hinter dem sie sich verstecken könnte. Auf Zehenspitzen läuft Nora so lautlos und schnell wie möglich zur Rückwand der Bar und presst sich dagegen. Außer ihren hämmernden Herzschlägen und ihrem stoßweise gehenden Atem, den sie nicht kontrollieren kann, hört Nora gar nichts. Doch, ihre Haare reiben irrsinnig laut über die Spanplatte, als sie schnell nach rechts und links sieht. Könnte die Katze das Geräusch ausgelöst haben? Mit der leeren Flasche, die plötzlich durch den Saal bis vor die Bühne trudelt, zerschlägt sich diese Hoffnung. Irgendwer ist im Club. Nora kann nicht mehr denken, sie will nur noch weg und läuft auf dem Weg nach draußen hinter der Bar zwei Polizisten in die Arme. Die erschrecken sich im gleichen Ausmaß, wie Nora durch die Uniformen beruhigt ist. Allein den Inhalt ihres Rucksacks dürfen sie unter keinen Umständen finden, sonst ist sie geliefert.
    »Was machst du hier?«
    »Wie bist du reingekommen?« Zwei Fragen ohne Lächeln.
    »Ich hab mir von Mehmet Gündür den Ersatzschlüssel geholt. Ich will die Katzen füttern.«
    »Was für Katzen?«
    »Die Hofkatze hat im Getränkeschuppen einen Wurf gekriegt. Hier hat’s mal Ratten gegeben, deshalb füttern wir sie. Durch die Sache hier …«, Geste auf die Scherben, »haben wir’s die letzten Tage vergessen.«
    »Was hast du da in deinem Rucksack?«
    »Katzenfutter.«
    Ein Blick auf die Packung.
    »Hab ich eben aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher