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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
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deines rauschhaften Lebens hast du in diesem Bett verbracht. Ab jetzt nenn ich dich nicht mehr Anja, sondern Mutter.«
    Anja macht vorsichtshalber die Augen wieder zu. Sie spürt, dass sie keine Chance hat, Maika dazu zu bewegen, ihr Alkohol zu besorgen.
    »Also Mutter, dein Leben wird vielleicht nicht schöner, aber nüchterner. Möglicherweise kriegst du dann mehr davon mit, was um dich herum los ist. Die Wechsel von Tag und Nacht, mich, solche Sachen. Denn wenn du keinen Entzug machst, wirst du mich nie mehr sehen. Deine Mutter ist schon weg, Mao ist abgehauen, als du die Treppe runtergefallen bist, und ich bin dann auch fort.«
    »Sprich nicht so mit mir«, sagt Anja leise. Die Kälte in Maikas Stimme bereitet ihr Gänsehaut.
    »Ich bin nicht mehr da, wenn du dich totsäufst. Aus, vorbei.« Maika steht von dem unbequemen Besucherstuhl auf. »Ruf mich an, wenn du es dir überlegt hast. Okay?«
    Anja sagt gar nichts. Ihre geschlossenen Augenlider zittern.
    »Na dann, auf Wiedersehen, Mutter.« Maika hat den Türgriff schon in der Hand, als sie ein dünnes »Ich ruf dich an« hört.
    Maikas Schritte quietschen auf dem Krankenhausflur und hallen im Treppenhaus, als sie ein Stock höher zu Leif geht. Sie fühlt sich seltsam benommen und gleichzeitig so klar wie nie.
     
    Keath spürt, dass Mehmets Wut sich gegen ihn richtet, obwohl sein alter Freund ihn nicht ansieht. Na gut, ehemaliger alter Freund, dann zeigt mir eben die kalte Schulter, denkt Keath und ist die Rücksicht auf Mehmets Gefühle leid. Durch die Clubschließung kriechen wir alle auf dem Zahnfleisch.

    »Was hat der Arzt gesagt?« Mit der Frage will Keath Mehmet provozieren, ihm einen Blick zu schenken.
    »Kann bis zu ’ner Woche dauern. Leif sieht übel aus.« Das tut Mehmet auch, blutleere Lippen, Schweiß auf der Stirn, den Blick starr auf Nora gerichtet.
    »Und was sagt Leif?«, bohrt Keath weiter.
    Instinktiv ist Mehmet klar, dass alles auseinanderfällt, wenn er von Leifs konkreten Verkaufsabsichten erzählt. »Will seinen alten Whisky saufen«, sagt er zum Gras.
    »Klingt, als wär er schon wieder ganz der Alte«, sagt Keath. Noch immer sieht ihn niemand an.
    »Hat er gesehen, wer es war?«, fragt Nora Mehmet.
    Mehmet schüttelt den Kopf. »Ich hab nicht danach gefragt.«
    »Der Polizei hat Leif gesagt, er hätte den Angreifer zu kurz gesehen. Und dass der Typ maskiert war«, erzählt Keath. Er war vorhin auf der Wache, um nach dem Stand der Ermittlungen zu fragen. Bis jetzt hat er es nicht mal Nora erzählt, andere Themen waren wichtiger oder witziger. Doch kaum ist Mehmet da, interessiert es kein Schwein, woher er das hat. Ist auch egal, Keath spürt, wie in ihm Wut aufsteigt. Es macht keinen Sinn mehr, dass er sich um ihrer Freundschaft willen zusammenreißt. Von Freundschaft ist bei Mehmet nichts zu spüren, nur Verachtung. Und die will sich Keath nicht mehr reinziehen.
    Nora kämpft weiter mit ihrem bohrenden schlechten Gewissen, das sie Mehmet gegenüber immer befällt, wenn sie zu dritt sind und Mehmet mit den fiesen Schmerzen in seinem rechten Bein sieht. Es blutet nicht, er sieht nichts, aber es tut höllisch weh.
    »Alle sind verrückt nach deinem neuen Lied«, sagt Mehmet, um irgendwas zu sagen.

    »Was für’n neues Lied?«, fragt Keath. Doch wieder reagiert keiner auf seine Frage. Langsam steht er auf.
    »Ich probier noch mal was anders damit aus …«, faselt Mehmet weiter.
    »Super!« Nora ist begeistert. Sie merkt gar nicht, dass Keath nicht mehr neben ihr sitzt. »Die Vol. 7 geht weg wie nix. Alle sagen, dass bei dem Mitschnitt Lahme tanzen. Ich finde, die Version von High Tension ist spitze. Weiß gar nicht, wie du die toppen willst.«
    »Die breitesten Paukenschläge, die ich auftreiben könnte, liegen unter dem Lied. Deine Stimme tanzt darauf wie auf einem Vulkan.«
    »Und woher hast du die?«
    »Geheimnis.«
    Als Nora Anstalten macht, ihn zu treten, zieht Mehmet das Bein weg. Ihm ist merkwürdig, die Schmerzen haben zwar nachgelassen, aber es kribbelt ihn und ein Tritt würde ihn um den Verstand bringen. »Wo geht er denn hin?«, fragt Mehmet, um Nora abzulenken.
    »Wer?«
    »Keath.«
    Nora dreht sich schnell um und sieht Keath aus dem Park entschwinden.
     
    Sie kommt nicht. Sie ruft nicht.
    Keath will sich den ungläubigen Ausdruck aus dem Gesicht wischen, aber es geht nicht. Wie eine Maske hat sich seine Fassungslosigkeit eingegraben. Sein ehemals bester Freund und Nora behandeln ihn, als wäre er ein Furz im Wind, ein
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