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Lautlos wandert der Schatten

Lautlos wandert der Schatten

Titel: Lautlos wandert der Schatten
Autoren: Roland Breitenbach
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Antoniter, schon 1095 gegründet, betreuten
Pilger, die vom Antoniusfeuer befallen waren, eine Krankheit, die manchmal auf
eine Vergiftung durch Mutterkorn im Getreide, ein andermal auf Epilepsie
zurückgeführt wurde. Dieser Orden hatte auch das verbriefte Recht, den Papst zu
pflegen. In ihrer Blütezeit unterhielten die Antoniter 370 Hospitäler. Nach
ihrem Niedergang wurden sie 1777 mit den Maltesern zwangsvereinigt.
     
    Alle
diese Ordensgemeinschaften nahmen sich der gesunden und kranken, der armen und
reichen Pilger an, und spannten ein großes Netz von Krankenhäusern und
Unterkünften über ganz Europa; dieses Netz war entlang des Jakobusweges
besonders dicht geknüpft. Die Orden sorgten nicht nur für das leibliche Wohl.
Sie pflegten auch die Spiritualität des Weges und kümmerten sich um die Seele
des Pilgers. Das ist auch heute wieder ein wichtiges Anliegen; die Pilger sind
noch weitgehend auf sich selbst gestellt. Der Weg ist zwar durchgehend
markiert, aber die geistlichen Zeichen fehlen. Die spanische Kirche hat im
ganzen diese wahrhaft europäische Chance noch nicht begriffen. Sie ahnt noch
nicht, was sie an den Pilgern hat.
     
    Die
Templer fanden ein tragisches Ende. Wegen ihres Reichtums konnten sie des
Neides und der Habsucht weltlicher, auch kirchlicher Herrscher sicher sein.
Philipp IV., der Schöne, klagte den Orden 1307 der Häresie, der Blasphemie und
der Unzucht an, um in den Besitz der Ordensgüter zu kommen. Gestützt auf eine
ältere Verleumdungskampagne behauptete er, die Mitglieder des Ordens wollten
eine eigene Kirche gründen, lästerten in ihren Gemeinschaften Gott und trieben
allerlei lasterhafte Sachen hinter den Mauern ihrer Klöster. Papst Clemens V.
erwies sich als zu schwach, um den Templerorden gegen den französischen König
und die Fürsten zu schützen. So wurde die Gemeinschaft aufgelöst, ihr Besitz
verschleudert, und viele Ordensritter auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Der
letzte
    Großmeister,
Jakobus von Morlay, beteuerte vor seiner Hinrichtung im Jahre 1314 in Paris
feierlich die Unschuld des ganzen Ordens. Mit der Glut des Scheiterhaufens
erlosch eine segensreiche Tradition im Dienst am Menschen.
     
    Bleiben
noch die bürgerlichen Bruderschaften des hl. Jakobus. Sie sind aus ehemaligen
Santiagopilgern entstanden, die nach ihrer Heimkehr anderen beistehen wollten,
die Wallfahrt zu unternehmen und zu bestehen. Wer Mitglied werden wollte, mußte
seine Pilgerfahrt entweder durch die Compostellana nachweisen, eine Urkunde,
die auch heute noch in lateinischer Sprache vom Sekretär der Kathedrale
ausgestellt wird, oder einen entsprechenden Eid leisten. Wer allerdings
aufgrund einer Kirchenbuße die Wallfahrt machen mußte, z.B. ein Mörder, oder
wer aus der Wallfahrt ein Geschäft gemacht hatte, fand keine Aufnahme. Die Bruderschaften
hatten eine dreifache Aufgabe: Sie förderten die Wallfahrt durch Werbung und
Beratung, sie errichteten Spitäler und unterhielten sie, und sie pflegten das
geistliche Leben ihrer Mitglieder, sowie eine besondere Brüderlichkeit im
Umgang miteinander.
     
    Mit
der Wiederbelebung der Wallfahrt entstehen jetzt überall in Europa nationale
und regionale Jakobusgesellschaften. Sie unterstützen die Pilger bei der
Planung und Durchführung des Weges, sorgen für die geschichtliche Aufarbeitung
der Wallfahrt und beginnen damit, Unterkunftshäuser am Weg zu errichten oder zu
restaurieren. Zugleich wollen die Gesellschaften der großen Gefahr
entgegensteuern, daß der Camino, der zum Europäischen Kulturdenkmal erklärt
wurde, zu einer touristischen Attraktion verkommt. Die Erwartungen sind groß.
     
    Unsere
Pilgerfahrt geht weiter. Wir haben bereits die Provinzen Kastilien und Palencia
durchquert und kommen jetzt in die Provinz León. Zugunsten des Camino haben
Kastilien und León eine Junta geschlossen, die den Weg betreut und zum Beispiel
große Schautafeln über den Verlauf der Pilgerstraße errichtet. Dem wollte
Palencia nicht nachstehen und setzte wunderschöne Wegzeichen, die alten
Markierungen nachempfunden sind. So kommen wir nach Sahagún, das vor allem
wegen seines großen Klosters bekannt war, aber auch wegen seiner zahlreichen
Kirchen. Wie an einer Perlenschnur sind sie in der Kirchenstadt aufgereiht; ein
Beweis, daß an der Wallfahrt zu allen Zeiten gut verdient wurde.
     
    Zunächst
mußten wir allerdings erst stinkende und qualmende Müllberge durchwandern.
Ähnlich war dann am Morgen der Abschied. Nicht viel anders sieht zur Zeit
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