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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich
Autoren: Stefan Maiwald
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steckt und gerade voller Verzweiflung einen Parkplatz sucht, also Teil des Alltags ist, wird die vorbeiknatternde aufgemotzte Vespa vom angenehmen Lokalkolorit zur Bedrohung des schon mehrmals gerissenen Trommelfells.
    Außerdem habe ich Grund zu der Annahme, dass der Straßenverkehr Paduas von einem Duo erdacht und gesteuert wird, das aus einem polizeilich gesuchten Sadisten und einem komplett Wahnsinnigen besteht. Während ich mich per Auto in allen italienischen Großstädten bestens zurechtfinde, sogar im sizilianischen Messina, besteht Padua ausschließlich aus Einbahnstraßen, |184| die jeden Fehler bitter bestrafen. Wegen der vielen
Senso-Unico
-Ermahnungen ist auf weitere Beschilderungen völlig verzichtet worden, weshalb es reine Glückssache ist, das Stadtzentrum zu finden oder die Basilica di Sant’Antonio, wo die Zunge und die Kehle mit Stimmbändern des Heiligen in Reliquienschreinen aufbewahrt werden, was, ich kann mir da nicht helfen, mich leicht erschauern lässt. Zumeist kreiselt man in nackter Verzweiflung durch immer enger werdende Gassen, lässt hier einen Anwohner einparken und dort die Müllabfuhr gewähren, während einem nach zwei Stunden Tränen der Wut in die Augen steigen und man den eigenen Geiz verflucht, der es einem nicht gestattete, ein Navigationssystem ins Auto einbauen zu lassen.
    Jedenfalls: Ist das Auto erst einmal geparkt, geht es richtig rund. Ich kenne es aus meinen »Zapfhahn«-Zeiten, dass man sich abends an einen Tisch hockt und den Abend ebenso wie die Getränke gewissermaßen auf sich zukommen lässt und erst dann wieder aufsteht, wenn das Licht ausgeht, die Kumpels einen hochzerren oder die Wirtin mit der Polizei droht. Mit Leo kann man solche Abende durchaus auch verbringen, nicht jedoch mit Luca, der über einen Freundeskreis verfügt, der in kein Zweitligastadion passt (er ist noch unverheiratet – auf
die
Hochzeitsfeier bin ich nun wirklich mal gespannt). Mit Luca ziehen wir von Bar zu Bar, und während Luca hier einen
gingerino
trinkt, da einen
caffè
und erst ab Station vier oder fünf ein Glas Wein, ich hingegen ab Station eins ein großes Bier ordere |185| (welches in Italien schamvoll
birra media
heißt,
grande
klingt offenbar irgendwie obszön), bedeutet das für mich, dass ich bald Probleme bekomme, den Gesprächen zu folgen, weil ich dann sehr schnell müde werde. Da ich noch nicht so gut Italienisch spreche wie die Italiener, muss ich den Gesprächen mit größter Aufmerksamkeit folgen und auch meine Einwürfe genauer abwägen. Im Deutschen sind meine abendlichen Bemerkungen zwar ebenso dämlich wie hier, kommen aber immerhin spontan. 1 In Italien ist eine Menge Konzentration erforderlich, und vier große Biere sind ja nicht gerade Dextro Energeen für den Geist. (Dextro Energeen heißt ja seit kurzem Dextro Energy, was dem Stoff den geheimnisvollen medizinischen Odeur nimmt und ihn auf eine Stufe mit diesen albernen Energiegetränken stellt.)
    Also: Wir ziehen von hier nach dort und wieder nach hier, und wenngleich sich viele italienische Städte einer besonderen Aperitif-Kultur rühmen, so dürfte Padua dahingehend speziell sein, dass man sich auf zwei großen Plätzen trifft, der Piazza delle Erbe und Piazza della Frutta. Ein paar tausend Jugendliche und junge Menschen, zu denen ich mich noch zähle, stehen also trinkend, rauchend und flirtend einfach so herum. Das gefällt mir prinzipiell gut, macht aber die Bestellung |186| von Getränken zum Problem, weil diese beiden Plätze nur von drei Bars alimentiert werden, keine von größerer Grundfläche als ein adriatisches Badehandtuch. Um die winzigen Tresen, die sich in besseren, aber kunsthistorisch natürlich wertvollen Ruinen aus dem 13.   Jahrhundert verstecken, stehen die Menschen sich auf den Füßen, der Tresen ist nicht einmal zu erahnen, und wer den Barkeeper nicht kennt, kriegt nix. Da ich den Barkeeper nicht kenne, aber auch manchmal mit der Runde dran bin (ich bestelle sogar ziemlich oft, weil es mir einfach peinlich ist, nur herumzustehen und nie die Pointen zu verstehen, die mir erst lang und breit erklärt werden müssen), werde ich manchmal grob, aber es geht nicht anders. Auch mein Trick, als einziger Trinkgeld zu geben und mich so ins Gedächtnis des Ausschankpersonals zu mogeln, funktioniert nicht, da ich über ein Allerweltsgesicht verfüge, an dem auch die Narbe am Kinn nichts ändert.
Grazie mille
funktioniert ebenfalls nicht, obwohl ich es, kurz bevor ich grob werde, mit echter
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