Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich
Autoren: Stefan Maiwald
Vom Netzwerk:
auch jene, die gekonnt parlieren können: nun auch noch anfangen zu wollen, mit den Händen zu reden. Ich weiß schon: Manchmal will man aus purem Spaß an der Freude mittun. Aber es wird schiefgehen. Lassen Sie es sich von einem gesagt sein, der sein waches Leben praktisch ausschließlich in italienischen Bars verbringt. Und der trotzdem seine Hände im Zweifelsfall tief in den Taschen vergräbt.
    Kommunikation ist ein Gesamtkunstwerk. Das trifft nirgendwo so zu wie in Italien. Nehmen wir die »Feige«, die vielleicht berühmteste italienische Geste: Die fünf Fingerspitzen sind zusammengelegt und zeigen nach oben, dabei wird mit dem Handgelenk gewippt. Die Handbewegung, millionenfach persifliert, passt eigentlich immer; je nach dazugehörigem Gesichtsausdruck kann sie so unterschiedliche Dinge heißen wie »Das gibt’s doch nicht!«, »Sag bloß!«, »Erklär’s mir |170| genauer!«, »Wann ist das Essen endlich fertig?«, »Was ist dein Problem?« oder »Lass mich in Ruhe, du Spinner!«
    Eine der facettenreichsten Gesten ist das Okay-Zeichen: Daumen und Zeigefinger werden zum Ring geformt. In Düsseldorf und Detroit ist die Geste unzweideutig, doch schon südlich von Mailand wird aus dem Okay eine »Zero«, eine Null. Es ist das Zeichen für wertlos, und wenn Sie in einer ländlichen Trattoria die hausgemachte Pasta auf diese Art loben, könnte das den Betreiber in eine schwere Sinnkrise stürzen. Schlimmer wird die Sache in Süditalien. Dort ist das Zeichen eine obszöne Geste und symbolisiert   … na, Sie kommen sicher selbst drauf.
    Eine hierzulande noch nicht adaptierte, in Italien aber schwer beleidigende Geste ist der zugleich abgespreizte Zeigefinger und kleine Finger. Es bedeutet: Du bist der Gehörnte, deine Frau betrügt dich. Und im weiteren Sinne (gerne beim Gerangel um die Vorfahrt): Du bist ein Vollidiot. Mit dem Leibhaftigen haben die durch die Finger symbolisierten Hörner nichts zu tun. Die Geste kommt von dem alten Brauch, einem kastrierten Hahn die Sporen abzuschneiden und durch den Kamm zu stecken, um ihn als Kapaun zu kennzeichnen. Das Gebilde wuchs im Laufe der Zeit zu einem knorpeligen Horn weiter, und der entmannte Gockel schaute dabei dumm aus der Wäsche – da war es naheliegend, das Bild der unglücklichen Kreatur auf den hintergangenen Ehemann zu übertragen. Mit dieser Geste beleidigt man also gleich die ganze Familie, |171| was in Italien immer Wirkung zeigt: Der Mann ist ein Trottel, die Frau eine Hure. Überflüssig zu erwähnen, dass so eine Geste wenig Wärme spendet.
    Ganz schlimm: Das Heranwinken von Kellnern mit dem Zeigefinger. Das mag im deutschen Landgasthof üblich sein (obwohl ich vermute, dass man es wirklich überall bleiben lassen sollte). In Italien ist dies dagegen eine Geste, die man allenfalls benutzen darf, um den Haushund zum Futternapf zu locken. Will man in einem überfüllten Restaurant auf sich aufmerksam machen, sollte man den Arm heben, und wenn schon gewinkt werden muss, dann mit Fingern, die Richtung Boden zeigen. Ganz wichtig: Die Handfläche gehört in Italien beim Winken nach unten, alles andere wirkt herrenmenschelnd, und Sie könnten ernsthaft Ärger bekommen, mindestens aber den Teller Pasta, der vorhin schon einmal auf dem Küchenboden gelandet war. Und ich kann es dem Kellner nicht einmal verübeln.
    Und was bedeutet es, mit den Fingerspitzen unterm Kinn entlang nach vorne zu streichen? Auch diese Geste kann viel heißen, aber wenn sie in Ihre Richtung gemacht wird, dann sollten Sie die Augen vom Popo der Wirtstochter nehmen, ganz schnell zahlen und auf direktem Wege heimgehen.

|172|
Reisen ist eine Religionsfrage
    R eisen bildet. Aber Reiseplanung macht mich verrückt. Im März studiere ich die Kataloge, im April informiere ich mich im Reisebüro, im Mai surfe ich im Internet, ob ich nicht noch was Besseres finde, im Juni buche ich (inkl. Reiserücktrittsversicherung), kaufe zwei Karten im Maßstab 1: 50   000 (zwei? Ja, eine fürs Auto, eine für die Tasche, man weiß ja nie) sowie die drei aktuellsten Reiseführer, im Juli stelle ich den Koffer in den Flur und packe, im August geht es los. Laura plant eine Reise am 7.   August, packt am 8.   August (mittags) ihre Koffer, und am 8.   August (abends) geht es los.
    Ich weiß nicht, ob es in der Reisevorbereitung Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, aber ganz sicher gibt es in der Reisevorbereitung fundamentale Unterschiede zwischen mir und meiner Frau, also zwischen einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher