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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich
Autoren: Stefan Maiwald
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1992 durchaus noch fabelhaften Betrag von 900   Mark auf dem Konto. Die Miete war mit zweimal Rasenmähen monatlich abgegolten, und ab und zu holte ich meinem Vater Bier aus dem Keller, um mein tägliches, wenn auch oft verspätetes und zerknittertes Erscheinen am Esstisch zu entschuldigen.
    Es war nämlich so: Meine Freunde machten zur gleichen Zeit Zivildienst. Sie hatten ebenfalls 900   Mark auf dem Konto und ebenfalls zu viel Zeit. Wir trafen uns jeden Abend in unserer Kneipe, deren Name »Zapfhahn« unverblümt klar machte, worum es hier ging, und legten eine erstaunliche Kreativität beim immer neuen Erfinden von Trinkspielen an den Tag. Eines davon hatte zum Beispiel die Folge, dass ich bis heute keinen Bananensaft mehr sehen kann – die Einzelheiten möchte ich den sensiblen Lesern allerdings ersparen. Wir dürften jedenfalls maßgeblich zur Abrodung einiger saftiger Agaven in der mexikanischen Provinz Tequila gesorgt haben, und mehr als einmal hing mir der Magen aus dem Gesicht wie eine umgestülpte Socke. 1 Auch Tequila trinke ich übrigens nicht mehr. Ich kann ihn nicht einmal mehr riechen. Um ehrlich zu sein: Mir wird schon schlecht, wenn ich einen Sombrero sehe.
    |14| Tägliches Trinken im Wettspielformat kann für ein paar Tage ein äußerst angenehmer Zeitvertreib sein. Aber auf Wochen hinaus wird es doch etwas problematisch. Und nach ein paar Monaten kannte ich nur zwei Zustände: betrunken oder verkatert. Der Tiefpunkt war wohl erreicht, als ich den Geburtstag meiner Mutter vergaß. Kein Wunder: Zu der Zeit konnte ich im »Zapfhahn«, wenn ich mich beispielsweise um eine Frau bemühte (eine Spezies, die allerdings extrem selten in dieses verrauchte Etablissement kam), gerade noch meinen eigenen Namen sagen. Und selbst den nur gelallt.
    Also musste ich die Kurve kriegen und mich abends irgendwie beschäftigen, bevor ich in ein paar Jahren zu Anonyme-Alkoholiker-Meetings in grell ausgeleuchteten Gemeindesälen gehen müsste. Ich trug mich in einen Volkshochschulkurs ein und lernte bei Isabella Pototschnig-Deutsch, die wirklich so hieß, zwei Abende pro Woche Italienisch. Das führte erstens dazu, dass sich meine Leberwerte wieder halbwegs normalisierten, und zweitens konnte ich, als ich ein paar Jahre später mit diesem sehr dunkelhaarigen Wesen namens Laura sprach, sogar meinen Namen sagen und ein bisschen italienisches Beiwerk dazu. Ungelallt. Das hatte wohl einen gewissen Effekt. Und führte dazu, dass ich bald an einer italienischen Hochzeitstafel mit den 250 engsten Freunden der Familie saß.
    Okay, wirklich eine ziemlich unromantische Variante. Hier kommt also die romantische – die
eigentliche
– Geschichte. Legen Sie die Taschentücher bereit und |15| schnallen Sie die Sitzgurte an. 2 Ich war 16   Jahre alt und fuhr mit meinen Eltern nach Italien, und zwar auf eine kleine Insel in der Adria namens Grado. Alles sehr hübsch, und am letzten Abend sprach mich ein Mädchen an. (Sagt nicht die moderne Biologie, dass sich das Weibchen stets das Männchen raussucht – aber das Männchen in dem Glauben lässt,
jenes selbst hätte autonom die Wahl getroffen
?) Mit Haar, so schwarz, dass es bläulich schimmerte, braunen Augen und tiefbrauner Haut setzte die Italienerin sich zu mir und fragte, wer ich denn so sei und was ich denn hier so mache. Ich schaute gerade einem Tennismatch zu (damals war Tennis schwer angesagt, und der Eintritt war frei). Es stellte sich heraus, dass es ihr Bruder war, der spielte. Wir tauschten Namen aus, und sie sagte, da gäbe es einen Club namens – Verheißung! – »La Manna«, dort könne man sich ja später treffen. Ich war elektrisiert, und das meine ich wortwörtlich. Ich glaubte, meine Haarspitzen würden knistern. Vielleicht sollte ich, ohne auf peinliche Einzelheiten näher einzugehen, in der gebotenen Beiläufigkeit erwähnen, dass ich sehr spät in die Pubertät gekommen war und lange äußerst glücklos auf dem Frauensektor agierte. Da kam so ein Date doch sehr überraschend.
    Ach, und dann gab es das volle Programm, man sah sich in dem Club, der auch noch direkt am Strand lag, man ging Hand in Hand im Mondschein spazieren, |16| während die Wellen die Knöchel umspülten, der Mond glänzte natürlich silbern auf der tiefschwarzen Wasseroberfläche, wir scherzten radebrechend über die Sternzeichen am Himmel. Und jetzt kommt das dicke Ende: Es passierte nichts. Gar nichts! Was, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, weiß Gott nicht an meinen
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