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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich
Autoren: Stefan Maiwald
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österreichischen Schnorrern. Ich beschloss, dass es gut war bei ›Playboy‹. Ich kündigte. Erst dann bemühte ich mich um neue Aufträge, aber wie schon |29| erwähnt: Das war im Jahr vor Börsen- und Twin-Tower-Crash, und als Journalist reichte es, einen Computer anschalten zu können, um irgendwo ein warmes Plätzchen mit 13,7   Monatsgehältern zu bekommen. Tatsächlich war mein allererster Akquise-Anruf erfolgreich: ›Globo‹ brauchte einen Textchef als Schwangerschaftsvertretung, und ein paar Monate später war ich gar Chefredakteur. Und als Chefredakteur eines Reisemagazins (inklusive Portraitfoto auf Seite drei) hatte ich sofort ein besseres Standing bei meiner italienischen Familie. Jetzt wurde offen über Heirat gesprochen.
     
    Nachtrag:
Ich trat meinen Chef-Posten am 1.   September 2001 an. Nach dem 11.   September war für Reisemagazine der Ofen aus. Ich durfte noch drei Ausgaben machen, dann war es das. Von der Abfindung konnte ich immerhin ein Auto anzahlen, das die Strecke von München über die Alpen Richtung Laura zuverlässig zurücklegte.

|30|
Der Blonde am Tisch
    I n den nächsten Wochen und Monaten wurde ich zunächst ausgiebig herumgereicht. Es kam mir vor, als gingen wir jeden Abend in ein anderes Restaurant, wo schon eine schnatternde Meute aus völlig neuen Gesichtern auf uns wartete. Stets stand ich im Mittelpunkt: ein schweigsamer, etwas irritierter, ums Verstehen bemühter Kerl, der immer mal wieder ein Glas umwarf, das falsche Besteck benutzte oder die rohen – möglicherweise sogar noch lebenden – Seespinnen, die über den Tellerrand quollen, gestenreich und engagiert mit dem Hinweis ablehnte, sein Bauch sei doch schon so voll. 1
    Laura präsentierte überall ihren
fidanzato
, das heißt übersetzt: Verlobter. Wer jetzt denkt, weia, das geht ja ganz schön fix in Italien, der sollte wissen, dass, wer in Italien miteinander geht, also halbwegs ernst miteinander verbandelt ist, sofort den Status
fidanzato/fidanzata
verpasst bekommt. Schon sprachlich gibt es |31| da keine andere Chance, denn die wörtliche Übersetzung Freund,
amico
, heißt genau das: Freund in aller Harmlosigkeit. Hier bricht sich die Religion Bahn: Wer miteinander knutscht, der muss selbstverständlich irgendwann heiraten.
    Man redete auf mich ein, auf Italienisch, in rudimentärem Englisch und unverständlichem Deutsch, und ich konnte meine Nervosität schlecht verbergen, denn ich erkannte: Schweißflecken gehören zu den wenigen Dingen, die allein durch die Kraft der Gedanken größer werden können. Herzlich waren sie aber alle, sogar der engste Familienkreis. Pepe, mein künftiger Schwiegervater und gefürchteter Gourmet in den vielen Restaurants von Grado, machte es sich zur Aufgabe, mir beizubringen, bislang Unmögliches zu essen. Gleich am ersten Abend durfte ich ihm zusehen, wie er einen Dorsch verputzte. Als er mit dem Fisch fertig war, sah er aus (der Fisch, nicht Pepe), als hätte ihn ein Schwarm übellauniger Piranhas in der Mangel gehabt. Augen, Innereien: alles war weg. Kurz bevor Wirt Franco den Teller abräumte, nahm Pepe den Löffel, den er zuvor zum Filetieren verwendet hatte, durchbrach die Wange des Dorsches (falls die Stelle zwischen Augen und Maul beim Dorsch so heißt) und pulte noch zwei Gramm Weißfleisch hervor, die, wie er mir versicherte, zum Delikatesten gehören, was ein Fisch zu bieten habe.
    Minnie, meine künftige Schwiegermutter, strich mir die ersten Abende immer wieder übers Haupt und lobpreiste meine blonden Haare. Und das war nun seltsam, |32| denn, es tut mir sehr leid, aber ich bin nun mal nicht blond. Bei günstigstem Lichteinfall, bei maximal braun gebrannter Haut und maximal durch Salzwasser ausgebleichtem Haar sowie einer hochprozentigen Sehbehinderung könnte man mich vielleicht als mittelbraun bezeichnen. Doch ich habe erfahren, dass es allen Menschen so geht, die nicht pechschwarze Haare haben: Sie werden immer als
biondo
, wahlweise als
bel biondo
bezeichnet. Bei all dem schwingt vielleicht auch ein wenig Ironie mit, zu der Italiener durchaus fähig sind, denn schließlich war es der von mir sehr geschätzte Italiener Terence Hill, der in den Autorenfilmen zusammen mit seinem Partner Bud Spencer sämtliche Glatzköpfe als »Locke« titulierte.
    Auch mit den Brüdern kam ich schnell klar, und das erleichterte die Sache ungemein. Nicht, dass ich mir ernsthaft Sorgen gemacht hätte, aber ab und zu tauchten doch sehr unschöne Szenen aus Hollywood in meinen
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