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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich
Autoren: Stefan Maiwald
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das heißt, ich glaube, ich bestellte mir ein Bier. Sie setzte sich neben mich, wir unterhielten uns wie damals auf Englisch, nachdem mein Isabella-Pototschnig-Deutsch-Italienisch schnell verpulvert war. Immerhin war ihr Englisch besser geworden, sie hatte ein halbes Jahr lang als Au-pair in Philadelphia gearbeitet. So gut war es aber auch nicht, denn es war natürlich eine italienische Familie gewesen, bei der sie die Kinder hütete. Doch es reichte, um mich zu verzaubern. Ich verliebte mich auf der Stelle in sie. Und sagte ihr, im Sommer würde ich wiederkommen und dabei meinen gesamten Jahresurlaub aufbrauchen. Das mit dem Jahresurlaub ließ ich weg, weil ich unsicher war, was das auf Englisch heißt:
year’s holiday
wohl kaum,
all my holiday days for the whole year
klang auch komisch. 3
    Wieder einmal verabschiedeten wir uns ohne Kuss, immerhin aber mit einer ungelenken (meinerseits) Umarmung. Gibt es etwas Peinlicheres, als Begrüßungs- |20| oder Abschiedsrituale zu vermasseln? Etwa einem Menschen die Hand zu schütteln, der das partout nicht will? Jemanden zu duzen, der gesiezt werden will? Beim flüchtigen Begrüßungskuss die falsche Wange hinzuhalten? Ich bin ein Experte für so was. Ich könnte ein Internet-Forum darüber einrichten: Schicken Sie mir Ihre Erfahrungsberichte unter www. abschieds-und-begruessungsrituale-vermasseln. de.
    Von Pfingsten bis zu meinem Sommerurlaub waren es noch ein paar Wochen, also schrieb ich feurige englische Briefe, in denen ich ihr zwar nicht meine Liebe gestand, aber doch immerhin Winke mit Zaunpfählen in jede Zeile packte, etwa von der Art, dass ich mich
sehr, sehr, sehr
auf das baldige Wiedersehen freute. Sie schrieb, wie ich fand, durchaus unterkühlter zurück, aber das konnte mich auch nicht mehr bremsen. Eigentlich hatte ich mit meinen alten Schulfreunden Christoph, Timo, Thomas und Frank (die dieses Buch nur kaufen wollen, wenn ich ihre Namen erwähne) einen Dosenbier-Urlaub in Südfrankreich geplant. Doch ich sagte ihnen, Jungs, ich hab was Besseres zu tun, und brach am 29.   Juni gen Süden auf. Gleich am ersten Abend wollten wir uns treffen. Ich verbrachte sehr viel Zeit im Bad und achtete penibel auf meine Unterwäsche.
    Am Abend verabredeten wir uns in einer Bar. Ich war natürlich zu früh dran und hatte schon in einer anderen Bar zwei Bier getrunken. Dann kam sie. Aber sie war nicht allein. Sie tauchte unfassbarerweise mit zwei Typen auf, die nicht unbedingt so aussahen, als würden sie freiwillig die erste Runde übernehmen. Um |21| genau zu sein, sahen sie aus, als hätten sie nichts dagegen, mir das Glas über den Schädel zu hauen. Oder war es nur meine Unsicherheit, die mir das vorgaukelte? Sie stellte die beiden Kerle als ihre Brüder vor, und ich war mir zunächst nicht sicher, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war. Jedenfalls schnatterten die drei in trauter familiärer Runde munter vor sich hin, mehrere Stunden lang, während ich mich ums Verstehen bemühte und immer mehr Bier bestellen musste, um irgendwas zu haben, woran ich mich klammern konnte. Laura, und das war das Schockierende, blickte mich den ganzen Abend nicht ein einziges Mal an. Ich dachte: Prima, das war’s jetzt wohl. Zwei Wochen werde ich allein hier herumhängen, weil ich irgendwelche Zeichen falsch gedeutet habe. Meine Freunde werden mich auslachen. Und ich werde zu viel trinken. Gut, mit Letzterem würde ich umgehen können.
    Lauras Brüder Leo und Luca versicherten mir später, ihre Anwesenheit sei wirklich reiner Zufall gewesen, man sei ja eine aufgeklärte norditalienische Familie, es sei eben nur so gewesen, dass man schon Wochen zuvor beschlossen hatte, den Abend zusammen zu verbringen. Ich nehme ihnen das bis heute nicht so recht ab, auch wenn sie hartnäckig bei ihrer Version bleiben. Immerhin hatte ich es auch schon mal schlimmer getroffen. Einmal führte ich in Antibes eine Französin aus. Ich holte sie daheim ab, und ihr Vater ließ sich nicht nur meinen Personalausweis zeigen,
sondern er schrieb ihn ab,
Wort für Wort, Ziffer für Ziffer.
    |22| Es muss schon ein paar Stunden nach Mitternacht gewesen sein, als wir uns schließlich verabschiedeten. Da schaute mich Laura tatsächlich an. Also fragte ich sie: »Was machst du morgen Abend?« Und sie sagte: »Da können wir uns wieder treffen.« Na, immerhin. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Am nächsten Tag aber war das Europameisterschaftsfinale zwischen Deutschland und Tschechien. (Alte Regel unter
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