Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich
Autoren: Stefan Maiwald
Vom Netzwerk:
europäischen Autoren, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden: Wenn keine erklärende Sportart genannt wird, geht es um Fußball.) Also sah ich zunächst im Hotel das Endspiel und das Golden Goal von Oliver Bierhoff, dann traf ich mich mit Laura. Sie kam allein. Wir setzten uns in den kleinen Garten einer Enoteca und küssten uns zum ersten Mal. Zum ersten Mal nach acht Jahren des Kennens, was möglicherweise nicht gerade für mich sprach. Es war der 30.   Juni 1996, und es war, mit dem dramatischen Fußballspiel und dem Kuss, einer dieser Tage, die, gäbe es einen Täglich-grüßt-das-Murmeltier-Tag zum Aussuchen, ganz schön weit oben auf der Liste stehen würden.

|23|
Meine Arbeit bei dem
Interview -Magazin
    D as Wort ›Playboy‹ aus dem ersten Kapitel hat Sie neugierig gemacht, oder? Keine Sorge, ich kenne das gut. Ich erzähle Ihnen also einfach mal kurz, wie es beim ›Playboy‹ so war. Die, die nur Italien wollen, blättern eben schnell weiter. Wobei ich durchaus die Kurve vom ›Playboy‹ zu Laura kriege, denn versuchen Sie mal, einer katholischen Großfamilie von Ihrer täglichen Arbeit bei einem Blatt zu erzählen, das sich im Wesentlichen über die Zahlen 90   –   60   –   90 definiert.
    Als ich bei ›Playboy‹ zusagte (sie hatten eine Reportage über Dorffußball von mir gelesen), ließ ich mich von der verführerischen Möglichkeit blenden, allerlei interessante Reportagen und Interviews machen zu dürfen, und so war es denn auch: Ich schrieb eine Geschichte über Kunstfälscher, eine Geschichte über Windhunderennen in England, eine Geschichte über die herrlichsten Verschwörungstheorien, interviewte die eine oder andere leidlich bekannte Person, beispielsweise Mario Basler, Meat Loaf und Margarethe |24| Schreinemakers, welche ja damals größer als das Leben selbst schien. Täglich flatterten Einladungen zu interessanten »Events« (das Wort »Veranstaltung« war schon vor einiger Zeit abgeschafft worden) ins Haus, meine beginnende Golf-Leidenschaft eröffnete, gepaart mit der schicken ›Playboy‹-Visitenkarte mit eingestanztem Häschen (Terminus technicus: »Bunny«), mir eine neue Welt. 1 Nebenbei: Die neuen Visitenkarten des Burda-›Playboy‹ verfügen über keinerlei Reliefdruck. Sehr schade.
    Auf Partys hatte die Behauptung, beim ›Playboy‹ zu arbeiten, einen ähnlichen Effekt wie der Smalltalk-Satz »Unser Pfarrer sagt immer, Niesen sei der Orgasmus des kleinen Mannes.« Aufmerksamkeit war einem sicher, und während die einen ihre Verachtung kaum verbergen konnten, hing einem der Rest des Festes an den Lippen und wartete auf Abenteuer aus der Welt der Nackten und der Torten. Aber man steht immer etwas unter Druck, denn zum Porsche Cabrio reicht das Gehalt natürlich nicht, was man oft erklären muss. (Wie, du bist mit dem Bus gekommen? Wie, du kannst mich nicht ins P1 2 einladen? Wie, du warst noch nie in deinem Leben im P1?) Zudem hat der Ruf des ›Playboy‹ ebenso viel Glamour wie Hautgout. In den österreichischen |25| Autobahnraststätten beispielsweise liegt ›Playboy‹ hinter tiefschwarzen Verschlägen, die nur einen Blick aufs Logo zulassen, direkt neben nun zweifellos zweifelhaften Erzeugnissen wie ›Happy Weekend‹ oder den ›St. Pauli Nachrichten‹.
    Mit der Zeit entwickelt man eine raffinierte Rechtfertigungs-Rhetorik. Man kann aufzählen, wer schon alles für den ›Playboy‹ geschrieben hat, von Norman Mailer über John Updike bis hin zu praktisch jedem zeitgenössischen deutschen Schriftsteller. Oder man kann aufzählen, wer dem ›Playboy‹ schon alles ein Interview gewährt hat, von Fidel Castro über Jimmy Carter bis zum Dalai Lama, aber letztlich bleibt es dabei: ›Playboy‹ verkauft sich mit der Qualität der Brüste auf Seite eins. Eine Franziska van Almsick schlägt zehn Henry-Kissinger-Interviews. Wer damit ein Problem hat, ist beim falschen Blatt. Ich hatte damit ein Problem. Auch wenn ich es einige Jahre lang erfolgreich leugnen konnte.
    Was nun meine italienische Familie angeht, so war die erste Reaktion auf meinen Arbeitsplatz: höfliches Schweigen und nervöses Kichern. Da ich nebenbei immer noch ein paar Geschichten für andere Blätter schrieb, redete ich mich eine Zeit lang auf freie Autorenschaft heraus, doch irgendwann verstrickt man sich in seinem eigenen Lügennetz, und alles Lavieren nützt nichts mehr. Bei Lauras Brüdern konnte ich punkten, klar. Sie bekamen Freiexemplare zugestellt, und einmal nahm ich sie mit aufs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher