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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird
Autoren: April Henry
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zusammen mit einem Kriminellen. Ihr Handy war weg. Und sie war sehr krank.
    Nein! Sie formte das Wort stumm mit ihren Lippen. Sie musste sich zusammennehmen. Denk nach!
    Sie war blind. Das war nicht zu ändern. Das war ihre größte Schwachstelle. Aber konnte sie das irgendwie zu ihrem Vorteil nutzen?
    Es gab tatsächlich ein paar Vorteile, wenn man blind war - nicht viele, sicher nicht genug. Aber ein paar. Sie konnte zum Beispiel all ihre anderen Sinne viel besser nutzen als die meisten Sehenden. Sehende rochen und hörten und berührten all die Dinge wie sie, aber der Teil des Gehirns, der die Empfindungen wahrnahm, war bei ihnen erstarrt, weil sie ihn selten gebrauchten. Und Cheyenne hatte es mühsam lernen müssen - wirklich immer auf alles in ihrer Umgebung zu achten und so viele Hinweise zu sammeln wie möglich.
    Wie also konnte sie ihre Sinne zu ihrem Vorteil nutzen? Sie schnupperte, aber alles, was sie roch, war der abgestandene Zigarettenrauch an den Kleidern des Kerls. Ihre Nase würde ihr erst helfen, wenn sie endlich anhielten und er die Tür öffnete. Ihre Ohren verrieten ihr auch nicht viel mehr. Sie wusste lediglich, dass es mindestens zwanzig Minuten her war, seit ein Auto an ihnen vorbeigefahren war. Wohin sie fuhren, konnte sie schon ewig nicht mehr ausmachen. Eine Zeit waren sie auf einer kurvigen Straße gefahren - aber für wie lang? Sie drehte ihre Hände, bis sie mit ihren Daumen über die Zahlen auf ihrer Braille-Uhr streichen konnte. Es war fast elf. Der Kerl hatte das Auto vor ungefähr 45 Minuten geklaut. Also gut, dann waren sie auch ungefähr 45 Meilen vom Einkaufszentrum entfernt - oder ein bisschen weniger. Schnell überschlug sie diese Informationen im Kopf. Das Ergebnis war entmutigend. Das bedeutete, dass sie überall in einem Gebiet sein konnte, das etwas mehr als sechstausend Quadratmeilen groß war. Selbst wenn sie bald anhielten, wie sollten ihr Dad und Danielle oder sogar die Polizei sie in einem so großen Gebiet finden?
    Cheyenne zwang sich, wieder an die Sachen zu denken, die sie vielleicht steuern konnte. Zum Beispiel der Kerl, der sie entführt hatte. Was konnte sie machen, damit sie ihm gegenüber im Vorteil war?
    Sie beschloss, dass sie ihn als Erstes dazu bringen würde, sie loszubinden. Und dazu musste er sie als armes Bündchen sehen, dafür würde sie sorgen. Wenn ihre Hände erst mal wieder frei wären, könnte sie ein Telefon suchen. Oder eine Waffe. Und sobald es dunkel war, könnte sie sogar ihren Blindenstock nehmen und fortlaufen. Sie sehnte die Nacht geradezu herbei, denn dann würde sie einem sehenden Menschen mehr als ebenbürtig sein.
    Wenn sie erst einmal angekommen waren - wohin auch immer sie fuhren -, würde sie ihn überreden, ihr die Hände loszubinden. Dann würde sie so viele Hinweise und Hilfsmittel sammeln, wie sie nur konnte, und den passenden Augenblick abwarten. Und wenn ihr der Kerl etwas Böses antun wollte, würde sie es nicht still über sich ergehen lassen. Sie würde ihm den Kampf seines Lehens bescheren.
    Es schien unmöglich, aber Cheyenne musste eingeschlafen sein. Das Nächste, an was sie sich erinnerte, war, dass das Auto eine Schotterstraße hinunterschlingerte, die so holprig war, dass Cheyenne fast von der Sitzbank rollte. Über die Geräusche im Wageninneren hinweg nahm sie das Bellen eines Hundes wahr. Es schien ein großer Hund zu sein - so tief wie er sich anhörte. Und nicht sehr gut erzogen.
    Über dem Bellen lag ein schrilles, metallisches Kreischen. Eine Säge.
    Das Geräusch kam irgendwo von vor dem Auto. Dann verstummte es plötzlich. Das Fenster surrte, als es herunterglitt. Kalte Luft strömte herein und drängte sich bis zu ihr - sogar unter die Decke. Holzrauch und der Duft nach Kiefernnadeln breiteten sich im Auto aus.
    Der Hund hörte mit dem Bellen auf und winselte. Schritte knirschten über den Schotter. Cheyennes Problem hatte sich gerade verdoppelt. Jetzt waren da also zwei Leute, nicht nur einer. Aber vielleicht würde diese neue Person ja einsehen, wie lächerlich es war, dass man sie festhielt. Vielleicht würde er oder sie - eine Sie wäre sehr viel besser - darauf bestehen, dass sie Cheyenne sofort freiließen.
    Aber es war ein Mann, der sprach. In seiner rauen Stimme mischten sich Neugier und Argwohn. »Verdammt, Griffin, was ist das?«
    Cheyenne legte den Namen in ihrem Gedächtnis ab. Grif fin. Falls sie je freikäme, würde Griffin bezahlen.
    »Wo hast du den denn her?«
    »Vom Einkaufszentrum. Jemand
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