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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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verwertbar erscheinen und aussortiert werden. Die menschliche Arbeitskraft ist zu teuer und schwerer abzuschreiben als Maschinen – also wird der Arbeiter abgeschrieben, bevor er überhaupt eingestellt wird.
    |21| Es gibt verräterische Unworte, die den Menschen in seinem Menschsein beschädigen, ihn ins Mark treffen. Sie sind eindeutige Zeichen dafür, dass etwas nicht mehr stimmt im Verhältnis von Moral, menschlicher Würde und Markt. Die »Freisetzer« sind Arbeitgeber, die Arbeitnehmer »Freigesetzte«. Wohin oder wofür wird ein Mensch frei-gesetzt? Ausgesetzt, zum Bittsteller gemacht, der sich abstrampelt, damit er wieder marktfähig wird und wieder eingesetzt werden kann!
    Die lange erkämpften Sozialstandards werden ausgehebelt. Die Suppenküche, die durch den Ausbau staatlicher Praktiken sozialer Unterstützung einmal Geschichte gewesen ist, hat in der Bundesrepublik wieder Hochkonjunktur.
    Moderne Almosen: Hartz IV
    Der bisherige deutsche Sozialstaat ist an die Massenerwerbsarbeit und den sogenannten Generationenvertrag gebunden. Das funktioniert immer weniger, weil hauptsächlich Geld »arbeitet« und dies global, wobei die Großaktionäre sich der sozialen Verantwortung für das Gemeinwesen weitgehend entziehen.
    Arbeitslosigkeit, geringer Wirtschaftsaufschwung und Überalterung treffen aufeinander. Der Generationenvertrag ist wegen der demographischen Schieflage immer weniger einlösbar. Wenn der Sozialstaat alter Prägung nicht mehr finanzierbar ist, ist uns aber gleichzeitig »die System-Frage« gestellt. Wenn in den Zeiten des schon lange beklagten »Raubtierkapitalismus« das in unserem Grundgesetz verankerte Staatsziel des sozialen Bundesstaates Deutschland immer weniger erfüllt werden kann, beschädigt das den Kern unserer Demokratie. Unsere Gesellschaft droht zu zerbrechen, wenn ihre Reichtumsproduktion das Gefälle zwischen Arm und Reich weiter wachsen lässt. Freiheit und sozialer Ausgleich gehören in der Demokratie zusammen – soweit die Theorie im Grundgesetz. In der Praxis aber entscheiden normalerweise Bessergestellte über Schlechtergestellte, und zwar in der Regel zu Lasten der Schlechtergestellten. Oder die |22| Einfluss-Reichen drohen, dass sie ins Ausland abwandern, sobald ihre Interessen nicht ausreichend bedient werden. Mit ihrem Kapital sowieso, aber auch mit ihren Investitionen. Und solange man mit dem Abspecken nicht bei den »Fetten«, sondern bei den »Mageren« beginnt, wird es einen Wut-Stau geben. Wer in einem sozialen Bundesstaat lebt, hat die Pflicht, sich entsprechend seiner Leistungsfähigkeit an den Aufgaben der Gemeinschaft zu beteiligen. Also muss man von jenen entsprechende Abgaben zur Finanzierung des Sozialstaates fordern, die in relativ gesicherten Positionen leben, statt die Ärmeren und Arbeitslosen immer weiter einseitig zu belasten. Sonst wird der soziale Frieden in Deutschland nachhaltig gefährdet sein. Vielleicht werfen Sie jetzt ein: »Aber die Reicheren werden doch schon durch die Steuern viel stärker belastet als diejenigen, die weniger verdienen!« Natürlich, in Deutschland folgt die Einkommenssteuer dem Modell der Steuerprogression. Höhere Einkommen werden mit einem höheren Steuersatz belegt. Aber es gibt etliche Faktoren, die die Steuerprogression überlagern: der proportional sinkende Aufwand für die Sozialversicherung, die Senkung der Steuern für Kapitalgesellschaften, die Abschaffung der Vermögenssteuer. Dazu kommt, dass die Möglichkeiten, das zu versteuernde Einkommen zu reduzieren, umso größer werden, je höher dieses ist. Lesen Sie es nach in den Armuts- und Sozialberichten von Bund und Ländern! Der Landessozialbericht 2004 von Nordrhein-Westfalen kam z. B. zu dem Schluss, dass eben nicht die stärksten Schultern am meisten tragen, wie uns oft beteuert wird.
    Erst durch den Ausgleich sozialer Gegensätze ist die Schaffung einer gerechten Sozialordnung möglich. Wir müssen also erneut über eine Umverteilung des Reichtums zwischen Begüterten und Bedürftigen nachdenken, wenn wir nicht zulassen wollen, dass Arme arm bleiben und Reiche immer reicher werden.
    Wer nach sieben Jahren rot-grüner Steuerpolitik mit der Umverteilung des Reichtums von unten nach oben im Jahr 2005 darauf gehofft hatte, wenigstens eine Große Koalition wäre in der |23| Lage, einseitigen Interessen der Wirtschaftslobby entgegenzutreten und unpopuläre Maßnahmen gegenüber Vermögenden gemeinsam zu verantworten und durchzusetzen, der muss heute ernüchtert
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