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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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    |9| Lass es gut sein
    »Let it be, let it be …« – wer hat diese Zeile aus dem berühmten Beatles-Song nicht schon als befreienden Seufzer mitgesungen – und dabei auf seine ganz eigene Lebenslage übertragen?! Seit über vier Jahrzehnten begleitet der Paul-McCartney-Song die ganze Welt, die Generationen und Lebenskulturen verbindend.
    Das ist ja keineswegs ein resignativer Gestus nach dem melancholischen Refrain »Lass es, es hat doch keinen Zweck«, sondern es bedeutet »Ach, lass getrost geschehen, was will.« Lass ab, steigere dich nicht in etwas hinein, hör’ auf, lass es gut sein. Bewahre dich davor, dich heillos zu verrennen. Gewinne eine durch Selbstironie angereicherte Distanz zu dir selbst, zu deinem Konfliktpartner oder zu dem dir unlösbar erscheinenden Problem, das dich belastet oder niederschmettert. Vertrau darauf, dass es schließlich gut werden kann.
    Solch eine einfache Lebensmaxime vermag einen Rasenden zu besänftigen. Denn hinter jeder Tür eines Recht-Habenden lauert ein Michael Kohlhaas. Solch eine Redewendung ist so einfach wie doppelbödig – ein wohlmeinender Rat und ein Angebot zum Frieden im Streit. Das ist ein Ruf zur Gelassenheit: »Komm, lass es jetzt ruhen.« Das kann im guten Sinne beschwichtigen, kann am Eingang einer Sackgasse warnen und vor Schlimmerem rechtzeitig bewahren.
    Wer spürt, dass er deshalb nicht aufgibt und schon gar nicht sich selbst aufgibt, erlebt sein Abstandgewinnen als etwas Bestärkendes, als einen Akt gewonnener Souveränität.
    Lass es gut sein, tu du selbst Gutes, meine es gut, und lass das den anderen spüren. Und sei darauf aus, dass ihr beide es gut habt. Das verbindet doch alle Streitenden letztendlich.
|10| Wer will es nicht gern gut haben und einfach von allem Bedrückenden einmal absehen.
Wer will nicht gut sein – gar besser als die anderen.
Wer tut nicht gern Gutes und will, dass es von anderen gesehen wird.
Wer will nicht Gutes erfahren, da die Welt so voll von niederdrückenden Nachrichten ist. Und wer will nicht gern Gutes (über sich) hören, und wer weiß nicht, wie schwer es oft ist, für einen anderen ein gutes Wort einzulegen, wo alle sich über »den Schuft« einig sind. Und wie gut tut es, nicht nachträglich wegen seines feigen Schweigens ein schlechtes Gewissen zu haben.
    Eine auf den ersten Blick sehr einleuchtende Zeile Erich Kästners wird ständig als der Weisheit letzter Schluss zitiert: »Es gibt nichts Gutes: Außer man tut es!« Das hört sich gut an, ist aber nur die halbe Wahrheit. Wenn es nichts Gutes gibt oder wenn man nicht weiß, was das Gute ist, kann man es auch nicht tun. An dem, was wir für das Gute halten, wird unser praktisches Verhalten gemessen. Das Gute ist stets mehr, als wir tun oder zu tun vermögen, weil alles menschliche Handeln ambivalent bleibt und bestenfalls am Guten teilhat.
    Die »goldene Regel« kann als allgemeinste (die Religionen und Kulturen übergreifende) Maxime für das Gute gelten:
     
    Alles, was ihr wollt,
    daß euch die Leute tun sollen,
    das tut ihnen auch.
    (Matthäus 7,12)
     
    Wir leben in einer unübersichtlichen, von permanenter Informations- und Reizflut überrollten Welt, in der jedem suggeriert wird, er wisse alles Wichtige und hätte teil am Leben. Zugleich erfährt sich der Einzelne oft als nichtig, überflüssig und ohnmächtig. Die meisten interessieren sich überhaupt nicht für die Frage, was »wichtig« ist, sie führen ihr Leben, als ob es nicht vom Ganzen abhängig wäre.
    Wir leben in einer Welt, die den »flexiblen Menschen« fordert, den überall einsatzbereiten, »funktionierenden« Menschentyp. |11| Flexibilität (als ein Tarnwort für Biegsamkeit und Beugsamkeit) erfordert ein feines Gespür für jedes Drehen des Windes.
    Was wollen wir, was sollen wir, was können wir in dieser uns vorgegebenen und vom Menschen in einem jahrtausendelangen Prozess umgestalteten Welt tun?
Woher
soll der Einzelne wissen, was er sein muss, um ein Mensch zu sein? Ist Menschsein eine zu erfüllende Aufgabe und nicht bloß etwas Vorgegebenes? Diese beiden Fragen gehören zu den Herausforderungen für jede Generation. Die Grundfrage ist, wie unser bloß instrumenteller Verstand zur (Über-)Lebensvernunft kommt?
    »Die höchste Angelegenheit des Menschen ist, wie der Mensch seine Stellung in der Schöpfung gehörig erfülle und wisse, was man sein muß, um ein Mensch zu sein«, sagt Immanuel Kant. Der Mensch habe den Mut aufzubringen, sich seines eigenen Verstandes ohne
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