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Landpartie mit drei Damen

Landpartie mit drei Damen

Titel: Landpartie mit drei Damen
Autoren: Nancy Mitford
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Hall gestritten hätten. »Wirklich?«, schrieb Nancy zurück. »Ich hatte das ganz vergessen. Ich weiß noch, dass Prod [Peter] in seinem schwarzen Hemd sehr nett aussah. Aber wir waren jung & übermütig & wussten nichts von Buchenwald.« Nancy teilte die Auffassung der Faschisten, dass die westlichen Gesellschaften degeneriert seien und sich wandeln müssten. Doch während die BUF von einem strahlenden neuen England träumte, blickte Nancy nostalgisch zurück auf eine längst verblasste Vergangenheit, als ein dem öffentlichen Wohl verpflichteter Adel auf dem Land lebte und »vernünftige, gut situierte Männer« das Land regierten – eine aristokratische Sichtweise, die sich durch viele ihrer Werke zieht.
    Selbst wenn Nancy etwas wichtig war, nahm sie es nicht ernst. Im Juli 1934 schrieb sie den Artikel »Fascism as I see it« für den Vanguard, der von Alexander Ratcliff herausgegeben wurde, dem antikatholischen, antisemitischen Gründer der Scottish Protestant League. Dieser Beitrag ist nicht zuletzt deswegen kurios, weil er über weite Strecken eine nur geringfügig abgemilderte Version der Lobeshymne auf den Faschismus ist, die Eugenia im zweiten Kapitel der Landpartie hält. Es ist nicht klar, ob Nancy erst den Artikel schrieb und dann merkte, dass daraus ein Roman werden könnte, oder ob sie bereits mit der Niederschrift des Romans begonnen hatte und Eugenias Ansprache einfach für den Vanguard übernahm. Wir wissen auch nicht, warum sie überhaupt etwas für diese Zeitschrift geschrieben hat, denn gewöhnlich schrieb sie für Vogue und The Lady. Der Artikel beginnt durchaus nüchtern mit der Feststellung, dass der Faschismus eine Einstellung sei, die von Menschen alten Schlages ebenso wenig verstanden werden könne wie Picasso von Freunden der gegenständlichen Malerei. Dann beklagt sie, in zunehmend pompösem Ton, die moralische Verkommenheit eines Zeitalters, in dem »Respekt vor den Eltern, Heimatliebe und eheliche Treue« nichts mehr gelten. Einzig die Loyalität gegenüber einem »großen und guten Führer« könne das Land »aus dem Sumpf ziehen, in dem es sich schon zu lange suhlt«. Der Artikel schließt (genau wie Eugenias Rede) mit dem bombastischen Bild von den alten Politikern, die wie verhutzelte Schildkröten in Westminster herumkriechen und »sich im künstlichen Sonnenschein der gegenseitigen Anerkennung wärmen«, bevor sie vom Führer vor die Wahl zwischen »Schande und römischem Tod« gestellt werden.
    Ernst genommen wurde der Artikel von Edgell Rickword, dem kommunistischen Gründer der Left Review, der ihn in seiner Zeitschrift als »ausgeprägten Fall von Führerkult« bezeichnete. Doch Unity ließ sich nicht täusehen. Ihr war klar, dass Nancy Mosley in all seinem Sendungsbewusstsein karikierte. »Ich bin wütend«, schrieb sie an Nancy. »Du solltest ein wenig Rücksicht auf mich nehmen, alle Jungs wissen, dass du meine Schwester bist.« Im selben Brief kam sie auch auf Landpartie mit drei Damen zu sprechen. »Also im Ernst, ich habe von Muv [Lady Redesdale] einiges darüber gehört. Ich warne Dich, Du kannst das unmöglich veröffentlichen, verschwende also nicht noch mehr Zeit darauf. Solltest Du es tatsächlich veröffentlichen, werde ich nie wieder mit Dir sprechen können.«
    Unitys Reaktion auf den Roman ist nicht bekannt. Kurz nach Erscheinen gestand sie Diana, dass sie das Buch noch nicht gelesen habe. Von Nancy sei ihr aber versichert worden, dass es ihr nicht missfallen, sondern sogar »sehr gefallen« würde, und dann schrieb sie: »Sie [Nancy] hat schon komische Vorstellungen.« Vielleicht fand Unity, als sie das Buch schließlich las, ihr Porträt als schöne blonde Göttin doch so schmeichelhaft, dass sie über Nancys Spott hinwegsehen konnte. Die wenigen erhaltenen Briefe, die die Schwestern nach Erscheinen des Romans austauschten, sind in dem gewohnt unbeschwerten Ton gehalten – Nancy bezeichnet ihre Schwester liebevoll als »Kopf aus Knochen und Herz aus Stein« und neckt sie mit einem Gedicht in Pseudodeutsch.
    Als Nancy die Landpartie schrieb, hatte Unity noch nicht Hitler kennengelernt, Hitlers Politik hatte noch nicht zu systematischem Völkermord geführt, und man konnte – wenn man vor der wahren Natur des Regimes die Augen schloss – noch immer glauben, dass der Nationalsozialismus Deutschland zu einem neuen Aufschwung verhelfen und in Europa eine Friedensepoche einläuten werde. Unity war eine empfängliche junge Frau von neunzehn Jahren, als sie Diana
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